Buchbesprechung „Der Geist des Rechts“

FIAT JUSTITIA NE PEREAT RES PUPLICA

„Der Geist des Rechts“
Rudolph von Jhering,

Sammlung Dietrich, Band 297.

Rudolph von Jhering war einer der großen Rechtsgelehrten des 19. Jahrhunderts, der durch seine Forschungen und Schriften über das Römische Recht und die deutsche Rechtsgeschichte großen Einfluss erlangt hat. Seine Texte über Moral, Sitte und Recht sind in vieler Beziehung auch heute noch relevant und lesenswert. Das Recht wird von ihm als die Lebensordnung des Volkes beschrieben und sein Grundgedanke über den Rechtsstaat ist:

„Rechtsstaat ist der Staat, dessen Volk in dem Recht die Bedingungen seines Daseins erkannt hat und dessen Verletzung als eine Verletzung seiner selbst empfindet.“

Die Schaffung und Durchsetzung des Rechts ist aber ein Kampf an dem nicht nur die berufsmäßigen Richter oder Anwälte mitwirken. Jeder einzelne ist berufen, in seinem Recht die allgemeine Rechtsordnung gegen das Unrecht zu verteidigen. Diese Verteidigung ist sogar seine sittliche Pflicht. Das Recht geht uns alle an.

„Der Kampf ums Recht ist ein Pflicht des Berechtigten gegen sich selbst.“ (S.203)

Eine Garantie für den Sieg des Rechts erkennt von Jhering nicht, besonders wenn die Interessen der Regierung berührt werden. Hier sieht er ein unlösbares Problem, das auch heute noch besteht und in den Verfahren um den Aufbau-Verlag deutlich wird:

„Die Staatsgewalt kann sich zwar das Gericht nicht aussuchen, aber sie stellt die Richter an, welche das Gericht bilden; die prozessualische Gebundenheit in bezug auf das Gericht kann mithin paralysiert werden durch die administrative Befugnis in bezug auf die Wahl der Personen – die Staatsgewalt versetzt die ihr unbequemen Personen an ein anderes Gericht und setzt andere, ihr bequemere an deren Stelle. Das hat sie das Gericht so, wie sie es will.

Gegen diese Gefahr gibt es meines Erachtens keine Sicherung. Die Staatsgewalt bietet dem unbequemen Richter eine bessere Stelle an, und er geht. Die Unversetzbarkeit des Richters wider seinen Willen gewährt dagegen keinen ausreichenden Schutz, er macht dem Nachfolger Platz, auf den es abgesehen war. Das Recht der Besetzung der Richterstellen nach eigenem freien Ermessen läßt sich aber die Staatsgewalt einmal nicht verkümmern, und alle Mittel, welche man etwa ersinnen möchte, um der Möglichkeit einer dolosen Anwendung desselben in der angegebenen Richtung vorzubeugen, erweisen sich von vornherein als so unausführbar, daß nichts übrigbleibt, als jene Möglichkeit der Beeinflussung der Rechtspflege durch die Regierung als eine im Wege des Gesetztes gar nicht zu beseitigende anzuerkennen und den Schutz gegen diese Gefahr lediglich von der öffentlichen Meinung und dem eigenen Gerechtigkeits- und Anstandsgefühl der Regierung zu erwarten.“ (S.266 f)

Bei Schadensersatzklagen gegen den Staat – wie in den Verfahren um den Verkauf des Aufbau-Verlags – lässt die bestehende Sonderzuständigkeit einzelner Kammern und Senate eine besonders sorgfältige Auswahl der Richter erkennen und macht es illusorisch, von der Regierung irgendwelchen Schutz zu erwarten. Ein Gerechtigkeits- und Anstandsgefühl scheint es dort nur ganz vereinzelt zu geben.

Die von dem Verleger Bernd F. Lunkewitz geführten Prozesse gegen die in BvS umbenantne Treuhandanstalt sind ein Paradebeispiel für die Justizwirklichkeit in Deutschland. Die BvS ist seit Jahren in Abwicklung, sie hat weder Personal noch sonst einen Geschäftsbetrieb. Das Bundesministerium der Finanzen, die mächtigste aller Behörden, unterstützt von allen anderen staatlichen Behörden, ist der wirkliche Gegner des Klägers. Diesen Kampf kann er kaum gewinnen. Die von Staat bezahlten Richter, deren Fortkommen von der Gunst der Obrigkeit abhängt, werden die Obrigkeit kaum enttäuschen. Allein die Beweislast macht einen Prozessgewinn für den Kläger fast unmöglich. Die beklagte Regierung hat Zugang zu allen Archiven und Akten und bekanntlich noch andere Mittel der Nachrichtenbeschaffung. Sie kennt alle Tatsachen und Unterlagen. Der Kläger aber hat zu den meisten Archiven der verschiedenen mit dem Fall befassten Behörden keinen Zugang. Diese Akten der Behörden könnten die Tatsachen noch weiter aufklären – wenn es eine Pflicht zur Vorlage der Akten gäbe. Die Anträge des Klägers auf Aktenvorlage oder Zeugenbeweis wurden bisher von den Gerichten aber als „Ausforschung“ abgelehnt. Die Treuhandanstalt hat geschickt „zivilrechtlich“ gehandelt. Das gibt ihr den „Schutz“ jedes Bürgers, der dem Prozessgegner keine Einsicht in seine Unterlagen geben muss. Wäre es denkbar, dass umgekehrt in einer Klage des Staates gegen einen Bürger die eine Behörde der anderen die Akteneinsicht verweigert? Die Waffengleichheit vor Gericht ist in solchen Fällen eine Farce.

Trotz aller dieser Schwierigkeiten ist es dem Kläger gelungen, die Rechtsbrüche der Treuhandanstalt detaiiiert und substantiiert zu beweisen. Aber auch das wurde besonders vom 1. Senat des OLG Frankfurt mit den Richtern Dr. Stump, Hauffen und Dr. Buxbaum durch ein ganz offensichtlich willkürliches und damit verfassungswidriges Urteil abgeschmettert.