Im Sommer 2019 wurde ein Aktenvermerk vom 26.3.1992 aufgefunden, in dem die Treuhandanstalt durch ihren mit dem Verkauf des Aufbau-Verlages betrauten Abteilungsleiter im Referat Printmedien, Herrn Molinari, schriftlich erklärt, dass die vom Aufbau-Verlag in der DDR verbreiteten Raubdrucke ihr bereits während der laufenden Verhandlungen über den Verkauf des Verlages positiv bekannt gewesen sind.
Der Verleger Bernd F. Lunkewitz hatte am 24.03.1992 der Treuhandanstalt schriftlich vorgehalten, die Plusauflagen seien ihr bereits vor Abschluss der Verträge vom 18.09./27.09.1991 bekannt gewesen aber sie habe in den Vertragsverhandlungen und bei Vertragsschluss diese Kenntnisse vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig verschwiegen.
Herr Molinari telefonierte am 25.03.1992 mit Herrn Lunkewitz und bestritt die vorvertragliche Kenntnis der Plusauflagen. Er erklärte, die Treuhandanstalt verkaufe Chancen und Risiken und Herr Lunkewitz habe eben ein Risiko gekauft. Er könne den Laden ja zumachen.
Danach wandte er sich an Herrn Dr. Froeb im Direktorat Vertragsmanagement der Treuhandanstalt und diktierte den Vermerk vom 26.3.1992, den er gleichzeitig seinen Vorgesetzten, Herrn Direktor Dr. Sinnecker und Frau Dr. Wohlfahrt zur Verfügung stellte. Er habe, erklärte er darin, Herrn Lunkewitz bereits im Rahmen der Verkaufsverhandlungen wegen der besonderen Situation ausdrücklich persönlich angesprochen und ihn vertraulich über das Problem Plusauflagen informiert:
„… trifft die Aussage von Herrn Lunkewitz, daß wir im Rahmen der Verkaufsverhandlungen Umstände zumindest grob fahrlässig verschwiegen hätten, nicht zu. Wegen der besonderen Situation habe ich Herrn Lunkewitz ausdrücklich persönlich angesprochen und vertraulich über das Problem Plusauflagen, soweit es für uns erkennbar war, informiert.“
Damit gesteht er, dass er und die dort angesprochenen Vertreter der Treuhandanstalt schon vor dem Abschluss der Verträge vom 18.09. und 27.09.1991 von den „Problem Plusauflagen“ positive Kenntnis erlangt hatten. Die Schutzbehauptung, Herr Lunkewitz sei vor Vertragsschluss über die Plusauflagen informiert worden, ist unglaubwürdig und unschlüssig, da die Treuhandanstalt in gerichtlichen Verfahren bestreitet, vor Vertragsabschluss von den Plusauflagen Kenntnis erlangt und Herr Molinari erst gar nicht behauptet, auch die anderen Käufer informiert zu haben.
Das ergibt sich auch aus dem Schreiben, mit dem die Zustimmungserklärungen zu den Verträgen vom 18.09. und vom 27.09.1991 an Herrn Notar Dr. Paul nach Frankfurt am Main übersandt wurde. Dort teilen Herr Dr. Sinnecker und Herr Molinari selbst mit:
„Sehr geehrter Herr Paul, wir übersenden Ihnen hiermit unsere Zustimmungserklärungen … mit der Maßgabe, daß auch alle zwischenzeitlich den Käufern des Aufbau Verlages bis heute bekannt gewordenen bzw. bekanntgegebenen weiteren Entwicklungen bei den zu übernehmenden Verlagen als zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses als offenbart zu betrachten sind.“
Die Treuhandanstalt suggerierte damit verklausuliert eine Vorverlegung des Kenntniserwerbs der Käufer von den Raubdrucken vom Zeitpunkt der Durchsuchungsaktion am 07.10.1991 auf einen fiktiven Zeitpunkt vor Vertragsabschluss am 27.09.1991. Dadurch sollten ohne benannt zu werden die verschwiegenen Raubdrucke als offenbart „zu betrachten“ sein, was allerdings bestätigt, dass sie gerade nicht offenbart wurden.
Mit diesen Formulierungen wollte die Treuhandanstalt die Haftung für die aus den Plusauflagen entstandenen Schäden auf die Käufer abwälzen. Die Treuhandanstalt hat deshalb bis heute gegenüber der Öffentlichkeit, den Käufern und den Gerichten jegliche Kenntnis der Raubdrucke vor der Durchsuchungsaktion am 7.10.1991 bestritten, zumal das Verschweigen dieser Kenntnisse ein rechtswirksamer Grund für die Anfechtung der Verträge ist.
Eine gutgläubige Verkäuferin hätte dagegen spätestens bei Übergabe der Vorstandsgenehmigung an den Notar darauf hingewiesen, dass Herr Lunkewitz (und die anderen renommierten Käufer) vor Abschluss der Verträge pflichtgemäß von Herrn Molinari über die Raubdrucke informiert worden seien. Angesichts der tatsächlichen Umstände hat aber selbst die Treuhandanstalt eine so drastische Lüge nicht gewagt, denn sie hätte die vorvertragliche Kenntnis der Raubdrucke einräumen und ihre Behauptung, die Käufer informiert zu haben, belegen müssen.
Der Vermerk vom 26.3.1992 beweist unwiderlegbar, dass die Raubdrucke der Treuhandanstalt bekannt und daher mitteilungspflichtig waren. Statt die Käufer über diesen gravierenden Mangel der Kaufsache aufzuklären hat sie ihnen diese Informationen absichtlich verschwiegen und sie dadurch zum Vertragsschluss bewegt. Aus der Formulierung: „… habe ich Herrn Lunkewitz ausdrücklich … über das Problem Plusauflagen, soweit es für uns erkennbar war, informiert …“ ergibt sich zweifelsfrei, dass die für den Verkauf zuständigen Personen, insbesondere die Herren Molinari, Dr. Sinnecker, Dr. Froeb, ferner Frau Dr. Wohlfahrt, gemeinsam in die Täuschung der Käufer eingebunden gewesen sind.
Ihr positives Wissen haben sie den Käufern auch nach dem 27.09.1991 verschwiegen.
Die vorvertragliche Kenntnis der Treuhandanstalt von den Plusauflagen wird auch dadurch bestätigt, dass sie mit der Staatsanwaltschaft Berlin bei der Durchsuchungsaktion am 07.10.1991 gemeinsam handelte. Das ergibt sich auch aus dem Bericht, den Herr KOK Borchert am 07.10.1991 angefertigt hat. Darin ist festgehalten, dass als Vertreterin der Treuhandanstalt Frau Rieger anwesend war.
„Hierbei waren KHK Bechtner, BiBu’in Budack und Frau R i e g e r, Tel. 3154-7990, als Vertreterin der Treuhand (Gesellschafter) und Unterzeichner anwesend.“
Die Käufer hätten die Verträge vom 11.09. und vom 27.09.1991 und vom 24.11.1992 keinesfalls geschlossen, wenn die Treuhandanstalt sie über die Problematik der Raubdrucke aufgeklärt hätte.
Sie hat deshalb die Käufer durch Verschweigen der Raubdrucke arglistig getäuscht, um die zu erwartenden Schadensersatzansprüche der Geschädigten auf die Käufer abzuwälzen und sich die finanziellen Vorteile aus den Verträgen zu sichern.
Die Anfechtung aller mit Treuhandanstalt geschlossenen Verträge ist durch die Käufer deshalb zu Recht erklärt worden.
Bernd F. Lunkewitz