Buchbesprechung – Die Treuhand

Marcus Böick

Die Treuhand

Idee – Praxis – Erfahrung

Wallstein Verlag

 

Das Buch beginnt mit der Feststellung: „Fast 25 Jahre nach ihrer offiziellen Auflösung am 31. Dezember 1994 ist die Treuhandanstalt nach wie vor Gegenstand gegensätzlicher Bewertungen“ und zitiert dann lang und breit die jeweiligen moralisch und politisch motivierten Äußerungen der damaligen politischen Kräfte und Parteien in West und Ost über die Gründung und den jeweiligen Auftrag der Treuhandanstalt, dessen konkrete Durchführung allerding kaum dargestellt wird. Die eingangs behauptete „offizielle Auflösung der Treuhandanstalt am 31. Dezember 1994“ gab es nicht. Die im Buch sehr positiv dargestellte Frau Breuel schraubte vor der Presse lediglich das Namensschild an der Fassade der Treuhandanstalt ab, denn schon am 20. Dezember 1994 hatte die Bundesregierung eine Verordnung erlassen deren § 1 bestimmte: „Die Treuhandanstalt wird in Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben umbenannt.“

Wer von dem Autor eine gründliche Darstellung der Privatisierung des Volkseigentums durch die Treuhandanstalt oder ihrer Aufgaben als Zwangsverwalter des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR erwartet hat, wird von diesem Buch enttäuscht sein, denn sein wesentlicher Inhalt ist stattdessen eine sehr umfangreiche und detaillierte Mentalitäts- und Befindlichkeitsgeschichte zahlreicher dort beschäftigter Personen, darunter Rohwedder und Breuel und einiger Vorstände, Direktoren und Abteilungsleiter. Der Autor erzählt die Binnengeschichte dieser Behörde anhand der beruflichen Wege ihrer Mitarbeiter, einschließlich ihrer Herkunft und Ausbildung und ihre jeweils eigenen und durchaus gegensätzlichen Bewertungen des Wirkens der Treuhandanstalt, ohne dass aber konkrete Tätigkeiten oder Privatisierungen dargelegt werden.

Der Text enthält allerdings sehr ausführlich die Bestandteile eines vom Autor selbst so genannten „soziokulturellen Wimmelbilds dieser Miniaturgesellschaft“ Treuhandanstalt ohne aber deren konkrete politische, juristische und wirtschaftliche Tätigkeit und die damaligen wirtschaftspolitischen und juristischen Grundlagen wirklich zu untersuchen. Folgerichtig beschreibt der Autor selbst den thematischen Hauptteil seines Buches so:  „Die systematisch analysierten individuellen Selbstreflexionen und subjektiven Verortungen der im Rahmen eines Forschungsprojekts des Ethnologen Dietmar Rost befragten Manager, Beamten und Kader zeigten die innerhalb des Treuhand-Personals praktizierten sozialen Fremd- und Selbsttypologisierungen sowie die hiermit eng verbundenen thematischen Spannungsfelder“.

Aha.

Als Abhandlung über die Soziologie des internen Treuhand-Milieus und die Befindlichkeiten dieses Personals mag das Buch dem an solchen Themen Interessierten genügen. Für die außerhalb dieses Milieus von der Tätigkeit der Treuhandanstalt und ihrer Eingriffe in die vorhandenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse betroffenen ist es allerdings egal, wie sich die Verantwortlichen der Treuhandanstalt damals oder später gefühlt und welche Meinung sie von sich selbst und ihren Kollegen haben.

Die befragten Mitarbeiter der Treuhandanstalt geben hier Auskunft über sich selbst, was für Soziologen oder Ethnologen noch interessant sein kann. Aber nur selten richten sich die Fragen und damit auch die Antworten auf die konkreten wirtschaftlichen und juristischen Umstände ihrer Tätigkeit und deren Ergebnisse. Die Wahrheit der Geschichte liegt aber nicht in den Meinungen sondern stets in den Tatsachen, den Akten und authentischen Dokumenten und bei wirtschaftlichen Prozessen in den Bilanzen, Verträgen und rechtlichen Grundlagen, die allerdings in diesem Buch kaum herangezogen werden.

Auf den Seiten 723 bis 733 fasst der Autor dankenswerter Weise den Inhalt des Buches zusammen.