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Der Betrug durch Raubdrucke und die Arglist der Treuhandanstalt

Raubdrucke

In einem Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem unter der treuhänderischen Verwaltung der Treuhandanstalt stehenden Vermögen der SED wurde am 20./21. August 1991 u. a. auch das Büro des damaligen Finanzverwalters der PDS durchsucht. Dort wurde als Beweismittel u.a. ein behördeninternes Schreiben des Ministeriums für Kultur der DDR vom 28.11.1989 gefunden. Darin wird dargelegt, dass der Aufbau-Verlag und der Verlag Volk & Welt in Abstimmung mit der SED und dem Ministerium seit Mitte der sechziger Jahre systematisch gegen Lizenzvereinbarungen mit ausländischen Urhebern verstoßen und Raubdrucke hergestellt haben. Die Lizenzgebühren für diese Raubdrucke waren den Rechteinhabern vorenthalten und statt dessen an die SED abgeführt worden. Allein im Zeitraum 1986 bis 1989 waren dies jährlich rund 1 Millionen DM.

Anlage 1, Schreiben vom 28.11.1989

Dieser Zufallsfund führte zu einem weiteren Ermittlungsverfahren in dem u. a. Herr Elmar Faber, der langjährige Leiter des Aufbau-Verlages in der DDR, nunmehr Geschäftsführer der vermeintlichen Aufbau-Verlag GmbH i. A. wegen Verdachts des Betruges in Tateinheit mit Vergehen nach dem Urheberrechtsgesetzt beschuldigt wurde.

Da der Aufbau-Verlag als Treuhandunternehmen angesehen wurde, informierte der die Ermittlungen leitende Kriminaloberrat Schmidt auf dem üblichen Weg die für solche Fälle in der THA zuständige „Stabstelle für besondere Aufgaben“ im Direktorat Recht.

Herr Schmidt hatte zu der Stabstelle bereits intensiven Kontakt wegen zahlreicher anderer Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter der THA wegen Korruption und Untreue zu Lasten der THA und/oder ihrer Betriebe.

Anlage 2, TAZ vom 12.04.1991

Die Stabstelle war der zentrale Kontakt für die Strafverfolgungsbehörden bei Ermittlungen gegen eigene Mitarbeiter der THA oder ihrer Unternehmen wegen des Verdachts von Straftaten zu Lasten der THA und wurde von dem erfahrenen Staatsanwalt Dr. Hans Richter geleitet.

Die Stabstelle unterstützte einerseits die Strafverfolgungsbehörden bei ihren Ermittlungen durch die Erteilung von Auskünften oder Einsichtnahme in interne Akten der THA, andererseits war sie eingerichtet worden um die Leitungsgremien der THA zeitnahe über solche Verdachtsfälle und relevante Ermittlungsergebnisse umfassend zu informieren um drohende Schäden möglichst zu verhindern oder einzugrenzen und um öffentliche Erklärungen der THA zu solchen Fällen vorzubereiten.

Am 2.10.1991 unterzeichnete Herr Schmidt einen Aktenvermerk in dem die wesentlichen Tatsachen und Umstände des Falles zutreffend dargestellt sind.

Anlage 3, Aktenvermerk von 2.10.1991

Die Passage des Vermerks vom 2.10.1991 mit den Angaben von Herrn Dr. Richter lautet:

„Von der Treuhandanstalt, Direktorat Recht, PR BA, Herrn Dr. Hans Richter, wurde mitgeteilt, dass der Aufbau-Verlag unmittelbar vor dem Verkauf stünde. Es droht Beweismittelverlust, da eine Übergabe bereits in der Woche ab dem 06.10.1991 vorgesehen sei.

Als Käufer treten ein Immobilienmakler aus dem Raum Frankfurt/M. und ein ehemaliger Mitarbeiter aus dem Bertelsmann-Konzern auf, es gibt aber vage Anhaltspunkte dafür, dass diese Personen nur für Dr. Elmar Faber stehen.“

Der von Herrn Dr. Hans Richter als „ehemaliger Mitarbeiter aus dem Bertelsmann-Konzern“ bezeichnete Herr Dr. Ulrich Wechsler war dort als langjähriger Vorstand weltweit für alle Bertelsmann-Buchverlage zuständig gewesen. Nach seiner Pensionierung gründete er ein eignes Medienunternehmen und erwarb Beteiligungen in der Verlagsbranche, darunter die Beteiligung am Aufbau-Verlag. Er war zu dieser Zeit auch langjähriger Vorsitzender des Aufsichtsrats der Buchmesse Frankfurt und Vorsitzender der von ihm initiierten bundesweit aktiven „Stiftung Lesen“ sowie des Stiftungsrates des Literaturhauses München.

Mit der Bezeichnung „ein Immobilienmakler aus dem Raum Frankfurt/M“ war zweifellos Bernd F. Lunkewitz gemeint. Allerdings war der nicht für Dritte als Makler tätig, sondern verwaltete seinen eigenen umfangreichen Immobilienbesitz in Deutschland und in den USA.

Beim Kauf der Aufbau-Verlag GmbH i. A. war die „Dr. Ulrich Wechsler Verlags- und Medien GmbH“ mit 20% beteiligt. Die BFL-Beteiligungsgesellschaft mbH kaufte 75%, der Unternehmensberater Dr. Eberhard Kossack und Herr Thomas Grundmann, Eigentümer der Bouvier Buchhandelskette, kauften die restlichen Anteile.

Der Verkauf der Aufbau-Verlag GmbH i.A. und der Rütten & Loening GmbH i. A. erfolgte durch zwei miteinander verbundene Verträge, die am 18.09.1991 und am 27.09.1991 unterzeichnet wurden. Am 1.10.1990 genehmigte der Vorstand der THA diese Verträge und am 4.10.1991 lief das darin für die Käufer vereinbarte Rücktrittsrecht ab.

Am 4.10.1991 beantragte die Staatsanwaltschaft Durchsuchungsbeschlüsse u. a. für die Geschäftsräume des Aufbau-Verlages mit dem Vermerk „Sowohl die Treuhandanstalt, Dr. Richter, als auch die Kripo, KOR Schmidt wiesen auf die besondere Eilbedürftigkeit hin.“

Anlage 4, Vermerk vom 4.10.1991

Das Amtsgericht Tiergarten entsprach dem Antrag. Die Durchsuchungen erfolgten am Montag den 7.10.1991 und überraschten die bis dahin ahnungslosen Beschuldigten und die arglosen Käufer. Im Protokoll der Polizei zu der Durchsuchung ist aufgeführt, dass eine Frau Rieger (Tel. 3154-7990) als Vertreterin der „Treuhandanstalt (Gesellschafter)“ bei der Durchsuchung anwesend war. Daraus ist zu schließen, dass die Treuhandanstalt vom Gegenstand und Zeitpunkt der Ermittlungen vorab unterrichtet gewesen sein muss.

Die Übernahme des Aufbau-Verlages durch die Käufer und die gleichzeitige Enthüllung der Raubdrucke machten bundesweit Schlagzeilen. Die THA erklärte öffentlich von den Ermittlungen überrascht worden zu sein und deshalb keine Auskünfte geben könne. Der von den Käufern telefonisch kontaktierte Abteilungsleiter Molinari bestritt vehement jede vorvertragliche Kenntnis der Raubdrucke und verwies an das Direktorat Recht, dass gleichfalls die vorvertragliche Kenntnis der THA bestritt.

In dem Kaufvertrag hatte die THA jede Gewährleistung oder Haftung für wirtschaftliche oder rechtliche Mängel des Unternehmens ausgeschlossen, so dass die Käufer am Tage der Übernahme des Verlages mit einem katastrophalen Rufschaden und Vertrauensverlust für den Aufbau-Verlag und zunächst unbekannten Schadensersatzansprüchen der geschädigten Rechteinhaber aus Vertrag oder wegen Urheberrechtsverletzung konfrontiert waren.

Herr Faber bezifferte intern den Schaden für den Aufbau-Verlag auf „höchstens einige zehntausend DM“. Er wies darauf hin, dass der Verlag die Lizenzgebühren für die „Plusauflagen“ an das Ministerium für Kultur abgeführt habe. Von dort seien sie aber nicht an die Rechteinhaber im Ausland sondern zu Unrecht an die SED weitergeleitet worden.

Die Käufer waren nach dem Ablauf ihres Rücktrittsrechts am 30.9.1991 und der zum 7.10.1991 erfolgten Übergabe des Verlages davon überzeugt das Eigentum daran wirksam erworben zu haben. Sie wiesen in der Öffentlichkeit auf die Verantwortung der SED für die Raubdrucke hin und versprachen die Aufklärung über die Ursachen und Folgen. Intern wurde eine Rückstellung in Höhe von 100.000 DM gebildet und die THA wurde gebeten, bei der Verfolgung der Ansprüche gegen die SED behilflich zu sein.

Da viele Unterlagen zu den Lizenzverträgen bei der Durchsuchung des Verlages beschlagnahmt wurden, dauerte die interne Recherche zum Umfang der Raubdrucke bis zum Februar 1992. Dann berichtete die Geschäftsleitung des Verlages den Käufern, dass aus den Raubdrucken mehr als 8,2 Mio. DM Lizenzgebühren geschuldet werden. Der Verlag war deshalb konkursreif.

Die Käufer informierten die THA über die festgestellte Schadenshöhe. Die THA bestritt erneut die vorvertragliche Kenntnis der Raubdrucke und bestand auf dem vertraglich vereinbarten Ausschluss aller Gewährleistungen.

Erst nach langen Verhandlungen und der Drohung mit der Insolvenz war die THA bereit im Innenverhältnis den Verlag von rechtskräftig festgestellten Ansprüchen der Geschädigten freizustellen. Diese von der THA diktierte Regelung führte zum Rechtsstreit mit zahlreichen Geschädigten.

Im November 1992 erklärte sich die THA bereit nun auch die vergleichsweise Befriedigung der Ansprüche der geschädigten Verlage zu finanzieren. Der Verlag musste nur noch die Ansprüche eigener Autoren in Höhe von ca. 2 Millionen DM selbst befriedigen.

Chronologie

Hier die damaligen Ereignisse zu den Plusauflagen geordnet nach Datum:

Am 20./21.08.1991 wurde bei Ermittlungen von UK, Staatsanwaltschaft und der Polizei zum Vermögen der SED in Räumen der PDS das Schreiben vom 28.11.1989 mit den Angaben zu den Raubdrucken gefunden. (Anlage 1)

Am 18.09.1991 unterzeichneten nach längeren Verhandlungen die THA und die BFL-Beteiligungsgesellschaft einen Kaufvertrag über alle Geschäftsanteile an zwei angeblich durch Umwandlung nach dem Treuhandgesetz entstandene Gesellschaften mit beschränkter Haftung im Aufbau: die Aufbau-Verlag GmbH i. A. und die Rütten & Loening GmbH i. A.

Am 22.09.1991 kam es nach Angaben von Christoph Hein zu einem Treffen von vier Autoren des Aufbau-Verlages mit zwei Vertretern der THA, wegen der beabsichtigten Entlassung von Elmar Faber als Leiter des Aufbau-Verlages.

Am 23.09.1991 verweigerte die THA die Genehmigung des Kaufvertrages weil Herr Lunkewitz als branchenfremder Neuling zur Führung des Verlages nicht qualifiziert sei. Herr Lunkewitz bot an u. a. Herrn Dr. Wechsler am Kauf zu beteiligen.

Am 24.09.1991 wurde der langjährige Verlagsleiter Faber zur Personalabteilung der THA bestellt und ohne Begründung mit sofortiger Wirkung beurlaubt, erhielt Hausverbot für den Aufbau-Verlag und wurde fristlos gekündigt.

Am 26.09.1991 erhielten die Käufer per Telefax den Textentwurf zum Beitritt der weiteren Käufer zum Kaufvertrag. Die Käufer akzeptierten und vereinbarten den Termin der Protokollierung.

Am 27.09.1991 wurde vor einem Notar in Frankfurt der Beitritts- und Änderungsvertrag abgeschlossen. Weil einer der Käufer persönlich nicht anwesend war erhielten die Käufer ein Rücktrittsrecht bis zum 30.9.1991. Bedingung für den Abschluss des Vertrages war die Unterzeichnung einer weiteren Urkunde in der die Käufer sich verpflichteten Herrn Faber nicht wieder zum Geschäftsführer des Verlages zu berufen. Die THA verweigerte jede Begründung für diese Vertragsbedingung.

Am 1.10.1991 genehmigte der Vorstand der THA den Kaufvertrag.

Am 2.10.1991 wurde Herrn Lunkewitz persönlich von der Erteilung der Genehmigung informiert.

Am 2.10.1991 wurde von Herrn KOR Schmidt der Aktenvermerk zu den Raubdrucken unterzeichnet. (Anlage 3)

Am 4.10.1991 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Tiergarten den Durchsuchungsbeschluss. (Anlage 4).

Am 7.10.1991 ging vereinbarungsgemäß der Verlag über in den Besitz der Käufer die unverzüglich den Kaufpreis in Höhe von insgesamt 1 Millionen DM an die THA und 3 Millionen DM als Kapitaleinlage in die GmbHs i. A. zahlten.

Am 7.10.1991 durchsuchte die Kripo die Verlagsräume wegen Verdacht des Betruges durch die Raubdrucke und beschlagnahmte zahlreiche Beweismittel.

Am 8.10.1991 wurde die Buchmesse in Frankfurt eröffnet. Der Verkauf des Verlages und dessen Durchsuchung wegen Lizenzbetruges wurde in allen Medien bundesweit berichtet und kommentiert.

Am 16.10.1991 wurde dem Notar die Urkunde der Vorstandsgenehmigung zum Kaufvertrag zugestellt. Im Begleitschreiben vom 11.10.1991 erklärte die THA, „dass auch alle … weiteren Entwicklungen bei den zu übernehmenden Verlagen als zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses offenbart zu betrachten sind“.

Am 24.11.1992 wurde in einem Vergleich zwischen der THA und den Käufern über Streitigkeiten zum Vermögen des Aufbau-Verlages zur Aufrechterhaltung und Durchführung des bestehenden Kaufvertrages auch eine modifizierte Freistellung von den Folgen der Raubdrucke vereinbart. Die THA bestritt weiterhin die vorvertragliche Kenntnis der Raubdrucke.

Der Verlag muss die Ansprüche von Autoren aus eigenen Mitteln erfüllen, Ansprüche von Verlagen können auf Kosten der THA durch Vergleich befriedigt werden.

Im Juli 2006 wurde den Käufern der Aktenvermerk der Kripo vom 2.10.1991 und der Staatsanwaltschaft vom 4.10.1991 bekannt. Daraufhin erklärten alle Käufer im Juni 2007 die Anfechtung aller Verträge mit der THA wegen arglistiger Täuschung.

Die Arglist der Treuhandanstalt und die Befangenheit der Gerichte

Die THA bestreitet vor Gericht jegliche Kenntnis der Raubdrucke vor der Durchsuchung am 7.10.1991. An diesem Tag sei der Verlag bereits an die Käufer verkauft und übergeben gewesen.

Die Klage der Käufer vor dem LG Frankfurt wurde zu Gunsten der THA abgewiesen. Das OLG Frankfurt urteilte, dem Vermerk der Polizei vom 2.10.1991 „ist nicht zu entnehmen über welche Kenntnisse zu der „Plusauflagen-Problematik“ Herr Dr. Richter zu diesem Zeitpunkt verfügte“. Ebenso: „Wann die Beklagte Kenntnis über Inhalt und Ausmaß der „Plusauflagen“ hatte, ist nicht dargetan. Dem Beweisangebot auf Vernehmung des Zeugen Richter ist das Landgericht zu Recht nicht nachgegangen, weil eine Beweisaufnahme auf eine unzulässige Ausforschung hinausgelaufen wäre“.

Das OLG Frankfurt übergeht zunächst dass nach dem Wortlaut des Vermerks vom 2.10.1991 Herr Dr. Richter ausdrücklich „vor dem Verkauf“ des Verlages Herrn Schmidt über die aktuellen Verhältnisse des Aufbau-Verlages und den Stand der Verhandlungen mit den Käufern unterrichtet hatte.

„Von der Treuhandanstalt, Direktorat Recht, PR BA, Herrn Dr. Hans Richter, wurde mitgeteilt, dass der Aufbau-Verlag unmittelbar vor dem Verkauf stünde.“ Vermerk vom 2.10.1991. Die Kenntnis der THA vor dem Verkauf ist damit belegt. Erst durch Übersendung der Genehmigungserklärung des Vorstands am 16.10.1991 wurde der Kaufvertrag wirksam. Die THA hätte aber durch Verweigerung der Zustimmung erneut den Vollzug des Kaufs verhindern, die Käufer pflichtgemäß über die Umstände der Plusauflagen informieren und einen neuen Kaufvertrag einschließlich einer Regelung der Plusauflagen verhandeln können. Genau das aber wollte die THA nicht, denn dann hätte sie den Schaden selbst tragen müssen, oder der Verlag wäre nicht mehr verkäuflich gewesen.

Das OLG Frankfurt übergeht in seinem Urteil ebenso die grundlegende und auch Herrn Schmidt bekannte Tatsache, die ihn zu dem Gespräch mit Herr Dr. Richter überhaupt veranlasst hatte, dass nämlich die „besonderen Aufgaben“ von Herrn Dr. Richter darin bestanden die Leitungsgremien der THA möglichst zeitnahe und umfassend über Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden gegen Mitarbeiter der THA oder ihrer Betriebe zu informieren. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Herr Dr. Richter die ihm gestellten Aufgaben in dem vorliegenden Fall nicht erfüllt hätte.

Die dokumentierte Anfrage der Kripo bei Dr. Richter belegt die grundsätzliche Kenntnis des Leiters der Stabsstelle von Ermittlungen gegen Elmar Faber und andere Verantwortliche des Aufbau-Verlages. Die fadenscheinige Ausrede des Gerichts, „über welche Erkenntnisse“ er verfügt habe, sei nicht erkennbar, ist irrelevant, da schon die grundsätzliche Kenntnis solcher Ermittlungen gegen ein zum Verkauf stehendes Unternehmen dem potentiellen Käufer mitgeteilt werden muss.

Das Gericht übergeht ebenso die naheliegende Erwägung, dass Herr Schmitt keine Veranlassung hatte, Herrn Dr. Richter um Informationen zum Aufbau-Verlag zu bitten, ohne seinerseits Herrn Dr. Richter über die Hintergründe – Verdacht des Betruges und der Urheberechtsverletzung durch Raubdrucke – zu unterrichten. Das zentrale Beweismittel für die hier vorliegenden Straftaten war ein einziger Brief im Umfang von einer Seite auf der sämtliche Angaben standen, die für den Betrugsverdacht mehr als ausreichten.

Zum Zeitpunkt des Gesprächs mit Herrn Dr. Richter hatte Herr Schmidt bereits Herrn Faber als Haupttatverdächtigen ermittelt und festgestellt, dass dem prominenten Treuhandunternehmen Aufbau-Verlag ein Schaden in Millionenhöhe drohte und in diesen politisch höchst brisanten Fall auch ehemalige Minister der DDR und höchste Funktionäre der im Bundestag vertretenen SED/PDS verwickelt waren, während prominente Schriftsteller und Verlage aus dem Westen die Opfer dieser Betrügereien waren. Diese Umstände würden auch aus Sicht von Herrn Schmidt und Herrn Dr. Richter in der Öffentlichkeit erhebliches Aufsehen erregen und es ist daher lebensfremd anzunehmen, dass die Leitungsgremien der THA darüber auch aus Sicht von Herrn Schmidt nicht umgehend informiert werden sollen.

Die Annahme des OLG Frankfurt, dass Herr Schmidt in dieser Situation die THA, die als Verkäuferin des Verlages und als gesetzliche Treuhänderin der SED in zweifacher Hinsicht von diesem Fall betroffen war, nicht in vollem Umfang über die Einleitung des Ermittlungsverfahrens, die aufgefundenen Beweismittel und die bisher ermittelten Tatsachen informiert und den konkreten Tatvorwurf erläutert hätte, ist nicht nur abwegig, sondern unterstellt sowohl dem erfahrenen Kriminalbeamten Schmidt als auch dem nicht weniger erfahrenen Staatsanwalt Dr. Richter einen gravierenden Pflichtverstoß.

Nach Ansicht des OLG Frankfurt hätte Herr Dr. Richter dann aber auch noch ohne irgendwelche Kenntnis des Sachverhalts und auch ohne danach zu fragen dem Kriminaloberrat Schmidt erklärt „es droht Beweismittelverlust, da der Aufbau-Verlag unmittelbar vor dem Verkauf steht.“ Die naheliegende Frage, welche Beweise für welche Tatsachen Herr Dr. Richter gemeint haben könnte und warum durch den Verkauf des Verlages der Verlust von Beweismitteln droht, hat das Gericht nicht gestellt. Der „Hinweis“ von Dr. Richter ist aber nichts anderes die unverhohlene Aufforderung an die Ermittlungsbehörden möglichst bald den Verlag zu durchsuchen um die vermuteten Beweismittel – für was? – zu sichern bevor die – „nur für Dr. Faber“ stehenden – Käufer sie nach dem Kauf des Verlages möglicherweise beseitigen.

Herr Dr. Richter berichtete Herrn Schmidt sogar Details, die auf eine genaue Kenntnis der Vertragsverhandlungen schließen lassen. Die von ihm geäußerte Vermutung, dass die Käufer „nur für Dr. Elmar Faber stehen“ war zwar völlig substanzlos, ist aber trotzdem aufschlussreich, denn sie lässt erkennen, dass er nicht nur über das Ermittlungsverfahren gegen Herrn Faber sondern auch über den Stand der Verkaufsverhandlungen informiert war.

Der Vertrag vom 18.09.1991 sah vor, dass der Weiterverkauf der Geschäftsanteile binnen vier Jahren der Zustimmung der THA bedurfte. Nur der Verkauf von Anteilen an den langjähren Verlagsleiter Elmar Faber war nach § 7.4 des Vertrages davon ausgenommen – weil ihm der Käufer bei erfolgreicher Sanierung des Unternehmens eine Beteiligung angeboten hatte. Auf dem Hintergrund der Ermittlungen gegen Herrn Faber war diese Vertragsklausel nun ein „vager Anhaltspunkt“ dafür, dass „die Käufer nur für Dr. Elmar Faber stehen.“

Die Informationen über den unmittelbar bevorstehenden Verkauf, die Angaben zu den Käufern und zu Herrn Faber und das Datum der vorgesehenen Übergabe des Verlages kann der für Privatisierungen überhaupt nicht zuständige Dr. Richter auf die Fragen von Herrn Schmidt nicht sofort parat gehabt haben. Er musste zweifellos selbst erst im Direktorat Recht der THA nachfragen – und den Grund des Auskunftsersuchens mitteilen – um danach die erhaltenen Informationen an Herrn Schmidt weiterleiten zu können.

Der Vermerk der Staatsanwaltschaft vom 4.10.1991 im Antrag auf Erlass des Durchsuchungsbeschlusses wird vom OLG Frankfurt gar nicht gewürdigt. Der darin dokumentierte Hinweis: „Sowohl die Treuhandanstalt, Dr. Richter, als auch die Kripo, KOR Schmidt, wiesen auf die besondere Eilbedürftigkeit hin“ belegt aber, dass Herr Dr. Richter den Antrag der Staatsanwaltschaft kannte. Nach der unschlüssigen Ansicht des Gerichts soll er aber den konkreten Tatvorwurf und die Umstände des Falles nicht gekannt haben. Herr Dr. Richter müsste demnach den Herrn Staatsanwalt Dorsch auf die Eilbedürftigkeit einer ihm ganz unbekannten Sache hingewiesen haben. Dr. Richter hätte sich dabei noch nicht mal selber gefragt, warum wohl die Staatsanwaltschaft überhaupt einen Durchsuchungsbeschluss in Bezug auf den zur THA gehörenden Aufbau-Verlag beantragt.

Bei der Vernehmung von Betrügern haben Polizei, Staatsanwälte und Richter bestimmt noch absurdere Ausreden gehört. Dass deutsche Gerichte solche Absurditäten zur Grundlage ihrer Rechtsprechung machen, dürfte aber sehr selten sein und hier damit zusammenhängen, dass es in den Verfahren zum Aufbau-Verlag um erhebliche politische und fiskalische Interessen von obersten Bundesbehörden geht und auch die Gerichte den Gefahren ausgesetzt sind, die als politische Korruption beschrieben werden. Statt Rechtsschutz betreiben solche Richter dann in ihrem Sinne verstandenen „Staatsschutz“, weil sie nicht erkennen wollen, dass der beste Schutz des Staates in der Einhaltung von Recht und Gesetz besteht. Das Urteil des OLG Frankfurt 1 UG 253/11 (Richter Dr. Stump, Frau Haufen und Frau Dr. Buxbaum) ist ein offensichtlicher Fall vorsätzlicher Rechtsbeugung.

In einem Telefongespräch mit Herrn Lunkewitz konnte sich Herr Dr. Richter vor einigen Jahren nicht mehr an die genauen Details und den Zeitablauf der damaligen Ereignisse erinnern. Aber er bestätigte, dass in der Stabsstelle jeder neue Fall mit Nummer und genauem Datum des Eingangs registriert und die Akten chronologisch geführt und später archiviert worden sind. Der Zeitpunkt der Kenntnisse der THA über die „Plusauflagen-Problematik“ wäre deshalb einfach zu ermitteln. Angesichts dieser substantiierten und schlüssigen Darlegungen der Käufer ist die Vorlage dieser Akten auch keine Ausspähung, es genügt ein Blick auf das Datum des Eingangsstempels.

Man kann davon ausgehen, dass die Akten der beteiligten Direktorate der THA, der UK, der Polizei, der Staatsanwaltschaft und sonstiger mit dem Vorgang befasster amtlicher Stellen ebenfalls archiviert sind. Auch diese Akten sind noch unter Verschluss und der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Aber irgendwann werden diese Akten zugänglich sein und dann kann das Verhalten der THA und anderer Behörden und auch das Verhalten des OLG Frankfurt so objektiv beurteilt werden, wie das heute für das Verhalten der Behörden und Gerichte des NS-Staats und der DDR bereits möglich ist.

Der von Herrn Uwe Schmitt verfasste Vermerk vom 2.10.1991 und der Vermerk der Staatsanwaltschaft vom 4.10.1991 beweisen trotz der Weigerung des OLG Frankfurt deren konkreten Inhalt zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen, dass eindeutig vor Ablauf des Rücktrittsrechts der Käufer am 4.10.1991 und mit hinreichender Sicherheit vor Unterzeichnung des Vertrages vom 27.09.1991 die THA von den Ermittlungen zu den Raubdrucken und ihren Folgen umfassend informiert war und diesen gravierenden Mangel der Kaufsache den Käufern arglistig und in Täuschungsabsicht verschwiegen hat.

Der Betrug durch die Treuhand

In Wirklichkeit dürfte sich der Verkauf des Aufbau-Verlages in Bezug auf die Ermittlung der Raubdrucke etwa wie folgt zugetragen haben:

Die THA war als gesetzliche treuhänderische Verwalterin des SED Vermögens für dessen Verwendung und Verbleib maßgeblich verantwortlich. Der Vorstand der THA und die Behördenleitung der relevanten Direktorate waren schon deshalb in die Ermittlungen wegen Untreue zu Lasten des SED Vermögens direkt eingebunden.

Die am 20./21.08.1991 aufgefundenen relevanten Beweismittel wurden der im Wege der Amtshilfe beteiligten THA unverzüglich zur Kenntnis gegeben.

Das gilt auch für den Zufallsfund, durch den die Raubdrucke aufgedeckt wurden. Die betroffenen Verlage waren Treuhandunternehmen, die meisten Beschuldigten waren deren Geschäftsführer. Das aufgefundene Schreiben vom 28.11.1989 genügte als Beweismittel um das Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen der Verlage – insbesondere gegen Herrn Faber – einzuleiten. Herr Dr. Richter, der in Strafsachen im Bereich der THA die Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden koordinierte, wurde unverzüglich von Herrn Schmidt über die Erkenntnisse informiert und um weitere Informationen zu den Beschuldigten gebeten.

Herr Dr. Richter gab die von den Ermittlungsbehörden erhaltenen Informationen wie üblich an das Direktorat Recht und die Leitungsgremien der THA weiter und erkundigte sich dort über die Verhältnisse der betroffenen Verlage.

Unabhängig davon war der Kaufvertrag vom 18.09.1991 bereits unterzeichnet worden. Die THA hatte, schon um die polizeilichen Ermittlungen nicht zu gefährden,  weder ihren für den Verkauf zuständigen Verhandlungsführer und Zeichnungsberechtigten Herrn Dr. Greuner noch den als Strohmann verdächtigten Käufer über das inzwischen von Ihr erkannte Problem der Raubdrucke und die Ermittlungen informiert. Als das Direktorat Privatisierung den unterzeichneten Kaufvertrag routinemäßig zur Genehmigung durch den Vorstand vorlegte, wurde von den dort bereits über die staatsanwaltlichen Ermittlungen informierten Mitarbeitern erkannt, dass wegen der Raubdrucke möglicherweise unverjährte Ansprüche von Geschädigten von bis zu 30 Millionen DM drohen könnten. („1 Millionen jährlich“). Dies war der tatsächliche Grund für die verweigerte Genehmigung dieses Vertrages durch den Vorstand der THA. Am Sonntag, dem 22.09.1991, kam es zu einem von Christoph Hein geschilderten Treffen einiger Autoren des Verlages mit zwei Vertretern der THA, bei dem die Zustimmung der Autoren zur Entlassung Fabers verlangt wurde. Eine Begründung dafür wurde von der THA nicht gegeben, aber der – falschen – Vermutung nicht widersprochen, dass die THA ihn verdächtige für die Stasi tätig gewesen sei.

Der Abteilungsleiter Molinari übernahm den Privatisierungsfall und teilte Herrn Lunkewitz am Montag, dem 23.09.1991 die Vorstandsentscheidung mit. Der von ihm für die Verweigerung der Zustimmung angegebene Grund der angeblich fehlenden Qualifikation zur Führung des Verlages war frei erfunden. Man muss davon ausgehen, dass Herr Molinari über die Raubdrucke informiert war, aber ebenfalls die laufenden Ermittlungen nicht gefährden durfte. Nachdem Herr Lunkewitz an diesem 23.09.1991 die Aufnahme von Dr. Wechsler und weiteren Gesellschaftern angeboten hatte, versprach Herr Molinari den Vorschlag in der THA vorzutragen und stellte eine Genehmigung in Aussicht. Herrn Molinari war bewusst, dass Eile geboten war, weil der Verkauf des Aufbau-Verlages spätestens bis zu der in der Verlagsbranche so wichtigen Frankfurter Buchmesse erfolgt sein sollte und andererseits die polizeilichen Ermittlungen liefen.

Die Entscheidungsträger in den Leitungsgremien der THA wurden von Herrn Molinari umgehend über das Ergebnis des am 23.09.1991 mit Herrn Lunkewitz geführten Gesprächs informiert und stimmten grundsätzlich der vorgeschlagenen Änderung des Kaufvertrags zu.

Auch Herr Dr. Richter ist mit dem Sachstand des 23.09.1991 über die Fortsetzung der Verkaufsverhandlungen informiert worden, denn er hat genau diese Informationen an Herrn Schmidt weitergegeben, der sie in seinen Vermerk vom 2.10.1991 aufnahm.

Dieser Zeitpunkt des Informationsaustauschs zwischen Dr. Richter und Herr Schmidt ergibt sich einerseits daraus, dass in dem ersten Vertrag vom 18.09.1991 die BFL-Beteiligungsgesellschaft als alleinige Käuferin vorgesehen war. Herr Dr. Richter erwähnt aber wenigstens zwei Käufer. Die Beteiligung von Dr. Wechsler und anderen Käufern ist von Herrn Lunkewitz erst am 23.09.1991 vorgeschlagen worden und wurde dann in dem noch „unmittelbar bevorstehen“ Verkauf am 27.09.1991 vertraglich auch so vereinbart.

Andererseits ist schon am 24.09.1991 der Beschuldigte Elmar Faber fristlos entlassen worden. Eben noch war die mangelnde Kompetenz des Käufers zur Führung des Verlages der angebliche Grund für die Verweigerung der Genehmigung des Kaufvertrages gewesen, jetzt aber wurde der langjährige – kompetente – Verlagsleiter entlassen. Diese für die Ermittlungen nicht unwesentliche Tatsache ist aber in dem Vermerk vom 2.10.1991 ebenso wenig enthalten wie der am 27.09.1991 vereinbarte vertragliche Ausschluss Herrn Fabers von der Geschäftsführung des Aufbau-Verlags.

Herr Molinari verweigerte bei den Vertragsverhandlungen jeden Kommentar zur fristlosen Kündigung Herrn Fabers. Auch die am 27.09.1991 bei Abschluss des Änderungsvertrages unterzeichnete Zusatzvereinbarung dass zukünftige Berufungen Herrn Fabers als Geschäftsführer des Aufbau-Verlages nur mit Genehmigung der THA möglich sind wurde nicht begründet. Auf die Nachfrage, ob Faber möglicherweise für die Stasi tätig gewesen sei, verweigerte er die Antwort auf eine Art („dazu darf ich nichts sagen“) die den Verdacht bestätigte.

Die hier dargelegten Umstände lassen insgesamt darauf schließen, dass Herr Dr. Richter von der Kripo bereits zeitnahe über den Zufallsfund bei den Durchsuchungen am 20./21.08.1991 informiert gewesen war und dann seinerseits am 23.09.1991 Herrn Schmidt über den Sachstand bei der THA unterrichtet hat der danach in dem Vermerk vom 2.10.1991 festgehalten ist.

Die Aufdeckung der Raubdrucke waren der tatsächliche Grund sowohl für die zunächst verweigerte Genehmigung des Vertrages vom 18.09.1991 als auch für die Entlassung Herrn Fabers und den Ausschluss seiner Berufung zum Geschäftsführer des Verlages im Vertrag vom 27.09.1991. Andere stichhaltige Gründe sind nicht ersichtlich.

Die Verantwortlichen der THA als Verkäufer des Verlages haben entschieden bei den weiteren Verhandlungen des Kaufvertrages den Käufern die laufenden Ermittlungen zu den Raubdrucken zu verheimlichen. Sie wollten damit einerseits die Ermittlungen der Polizei nicht gefährden aber andererseits wollten sie das stark defizitäre Unternehmen möglichst schnell verkaufen, besonders weil es mit so großen Risiken belastet war.

Hätte die Treuhandanstalt als redlicher Verkäufer vor dem Abschluss des Vertrages vom 27.09.1991 oder wenigstens noch vor Ablauf des darin vertraglich vereinbaren Rücktrittsrechts zum 4.10.1991 die Käufer über die Raubdrucke als einen wesentlichen Mangel des Kaufgegenstandes aufgeklärt, hätten die Käufer zweifellos den Vertrag entweder nicht abgeschlossen oder wären rechtzeitig vom Kauf zurückgetreten.

Wären dann die „Plusauflagen“ und der daraus folgende Schaden allgemein bekannt geworden, wäre trotz seiner literarischen und kulturellen Bedeutung der Aufbau-Verlag unverkäuflich gewesen, wenn nicht die Treuhandanstalt den gesamten finanziellen Schaden und die absehbar sehr hohen Sanierungskosten für das auch moralisch diskreditierte Unternehmen sofort selbst übernommen hätte.

Um die THA zu bereichern haben deren Verantwortliche statt dessen in voller Kenntnis der Raubdrucke und der daraus folgenden Schadensersatzansprüche der um Millionenbeträge geprellten Lizenzgeber den Kaufvertrag vom 18./27.09.1991 abgeschlossen und vollzogen ohne die arglosen Käufer über diesen schwerwiegenden Mangel der Kaufsache aufzuklären. Auch als der große Umfang der Schädigung der Käufer bekannt wurde und außerdem klar war, dass die Käufer nicht Strohmänner des verdächtigen Elmar Faber waren, hat die Treuhandanstalt die von ihr durchgeführte Täuschung der Käufer geleugnet und durch betrügerischen Vortrag vor Gericht bestritten.  Das begründet den Vorwurf des fortgesetzten Betruges und die Bezeichnung der in den Gerichtsverfahren benannten Mitarbeiter der Treuhandanstalt als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung.

Nach dem die Käufer im Jahre 2006 von den Aktennotizen vom 2.10.1991 und vom 4.10.1991 Kenntnis erhielten haben sie innerhalb der gesetzlichen Frist die Anfechtung aller Verträge wegen arglistiger Täuschung durch die THA erklärt.

Die Justiz ist eine Hure

Zu diesem falschen Urteil könnte man kommen, wenn man die Geschichte des Rechtsstreits um den Verkauf des Aufbau-Verlages durch die Treuhandanstalt vor den deutschen Gerichten betrachtet. Die bisherige Behandlung dieses Falles durch die Justiz ist zwar ein in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte bisher unerhörter Skandal, aber allein, dass die Geschädigten ihr Recht nicht aufgeben sondern es weiter vor eben jener Justiz geltend machen, belegt ihr Vertrauen in die Justiz und ihren Glauben an das Recht.

Der seit dem Jahre 1995 vom damaligen Verleger des Aufbau-Verlages betriebene Rechtsstreit geht demnächst in eine neue Runde. Die bereits am 22.12.2009 zunächst beim Landgericht in Frankfurt am Main eingereichte Klage der BFL-Beteiligungsgesellschaft mbH gegen die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben wurde nach Berlin verwiesen und ist jetzt unter dem Aktenzeichen 105 O 84 vor der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Berlin in erster Instanz zu verhandeln. Es bleibt abzuwarten, ob das Gericht diesen sehr umfangreichen Fall selbst eingehend und unvoreingenommen prüfen wird, oder ob es einfach die bisherigen falschen Entscheidungen aus den Parallelverfahren abschreibt.

Die Zurückweisung der jeweiligen Klagen der insolventen Aufbau-Verlag GmbH und des Verlegers Bernd F. Lunkewitz in seinem und im Namen des Kulturbunds gegen die in BVS umbenannte Treuhandanstalt wurde hauptsächlich damit begründet, dass – so das Urteil der jeweiligen Gerichte – die Kläger nicht haben beweisen können, dass der Kulturbund in der DDR sein Eigentum am Aufbau-Verlag nicht an die SED verloren hat und deshalb die Entstehung von Volkseigentum am Aufbau-Verlag nicht ausgeschlossen sei.

Nach dem der BGH erst im Jahre 2008 festgestellt hatte, dass der Kulturbund sein Eigentum am Aufbau-Verlag nicht verloren hatte, mögen diese Entscheidungen das Publikum überraschen. Aber in den jetzigen Verfahren geht es um Schadensersatz, als ums Geld des Staates, der den von ihm angerichteten Schaden aber nicht ersetzen will und dabei auf die beflissene Unterstützung durch die Justiz hofft. Die in diesen Verfahren bisher ergangenen Urteile der Gerichte in Berlin und Frankfurt sind dann auch Paradebeispiele für eine willkürliche Prozessführung, wie sie bei politisch oder fiskalisch motivierten Fällen vor dem berüchtigten Moskauer Stadtgericht allgemein bekannt sind. Die Richter des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit dem Vors. Richter Dr. Stump, der Richterin Hauffen und der Richterin Dr. Buxbaum waren offensichtlich mit Blindheit geschlagen wenn man nicht unterstellen will, sie hätten vorsätzlich das Recht gebrochen.

Ein solches Verhalten der genannten Gerichte wird dadurch begünstigt, dass ausgerechnet für Schadensersatzklagen gegen den deutschen Staat die dauernde Sonderzuständigkeit bestimmter Spruchkörper eingerichtet ist, die ganz offensichtlich dazu führt, dass dorthin nur solche Richter berufen werden, von denen die Regierung in den Entscheidungen insbesondere die einseitige Berücksichtigung fiskalischer und sonstiger politischer Interessen erwartet.

Diese offenbar ausschließlich im fiskalischen und politischen Interesse der Regierung gezielt eingerichtete Sonderzuständigkeit muss gesetzlich verboten werden weil sie den Missbrauch der staatlichen Gewalt durch die Besetzung bestimmter Richterstellen begünstigt. Die angeblich für solche Verfahren gegen den Staat erforderliche besondere Sachkenntnis ist nur ein leicht zu durchschauender Vorwand um „gefällige“ Richter entscheiden zu lassen. Stattdessen müssen solche Fälle jedem beliebigen Spruchkörper eines Zivilgerichts nach dem normalen Geschäftsverteilungsplan zugewiesen werden. Damit erhält der jeweilige Kläger wenigstens die Chance auf die mehrheitlich tatsächlich unparteiischen und unvoreingenommenen Richter zu treffen, deren Urteile dem Gesetz entsprechend ohne Ansehung der Person ergehen.

In den bisherigen gerichtlichen Verfahren haben die jeweiligen Kläger entgegen den ergangenen Urteilen erschöpfend das fortbestehende Eigentum des Kulturbunds am Aufbau-Verlag nachgewiesen. Die Gerichte haben jedoch alle diese Dokumente und Beweise übergangen. Aus den zahlreichen auf der Website dokumentierten Beispielen für die Übergehung des klägerischen Vortrags sei hier nur ein einziges Beispiel dargelegt:

Die Lizenz zum Betrieb des Aufbau-Verlages

Lizenz301Kulturbund:Aufbau

Der Kulturbund erhielt am 9. Oktober 1951 vom Amt für Literatur und Verlagswesen der DDR die Lizenz mit der Nr. 301 zur Ausübung der verlegerischen Tätigkeit im Rahmen der Firma „Aufbau-Verlag GmbH, Berlin.“

Die von diesem Amt erteilte Lizenz war für jeden Verlag in der DDR die grundlegende Bedingung seiner Existenz bzw. die Voraussetzung für die Genehmigung seiner Tätigkeit. In allen Erzeugnissen des Verlages musste die Lizenznummer im Impressum abgedruckt werden. Die Lizenznummer wurde dabei regelmäßig der Verlagsnummer, der Nummer der Druckgenehmigung und des Erscheinungsjahres vorangestellt.

Das in allen bisherigen Verfahren den Gerichten von den Klägern vorgelegte Dokument der Lizenz mit der Nr. 301 war daher die unverzichtbare Arbeits- und Existenzgrundlage des Aufbau-Verlages. Ohne diese Lizenz wäre die Tätigkeit des Aufbau-Verlages in der DDR nicht möglich gewesen. Sie enthält folgende Bestimmungen:

Mit der Erteilung der Lizenz mit der Nummer 301 ist bestimmt

1. und 2. dass der Kulturbund die Genehmigung zur Ausübung der verlegerischen Tätigkeit im Rahmen der Firma Aufbau-Verlag GmbH, Berlin erhält.
2. weitere Gesellschafter des Verlages gibt es nicht.
3. wird das Verlagsgebiet auf Belletristik, Kulturpolitik, Populärwissen-schaft beschränkt.

Die Lizenz wurde unter folgenden Bedingungen erteilt:

4.
a) daß Verfassung und Gesetze der Deutschen Demokratischen Republik eingehalten sowie die Anordnungen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik befolgt werden;
b) daß alle auf Grund dieser Lizenz erscheinenden Veröffentlichungen die Aufschrift „Veröffentlicht unter der Lizenznummer 301 des Amtes für Literatur und Verlagswesen der Deutschen Demokratischen Republik“ tragen.
c) daß unter 1. und 2. nicht aufgeführte natürliche und juristische Personen ohne ausdrückliche Genehmigung des Amtes für Literatur und Verlagswesen der Deutschen Demokratischen Republik weder an dem Unternehmen beteiligt sind, noch irgendwelche Gewinnanteile aus dem Unternehmen erhalten. Beim Ausscheiden oder Neuaufnahme von Gesellschaftern erlischt die Lizenz falls nicht innerhalb von zwei Wochen Erneuerung beantragt wird.
d) dass 3 Exemplare jeder Veröffentlichung an das Amt für Literatur und Verlagswesen der Deutschen Demokratischen Republik einzusenden sind;
e) sonstige Bedingungen: entfallen.

Diese Lizenz wurde auf unbestimmte Zeit erteilt. Sie war durchgehend gültig, bis durch Ministererlass vom 15. Januar 1990 der Wegfall der Lizenzpflicht in der DDR ab dem 1.1.1990 verfügt wurde.

Bis Ende 1989 waren deshalb alle verlegten Bücher des Aufbau-Verlages unter der dem Kulturbund erteilten Lizenznummer 301 erschienen. Damit wurde auch öffentlich bestätigt, dass der Kulturbund Lizenzträger und alleiniger Eigentümer des Aufbau-Verlages war und blieb und andere „natürliche und juristische Personen“ weder an dem Unternehmen beteiligt sind, noch irgendwelche Gewinnanteile aus dem Unternehmen erhalten und dass weder ein Ausscheiden noch eine Neuaufnahme eines Gesellschafters vorgekommen ist.

Daraus ergibt sich, das auch die Eintragung des Verlages als OEB des Kulturbunds in das Register der volkseigenen Wirtschaft oder die Angliederung des Verlages Rütten & Loening im Rahmen der Profilierung des Verlagswesens der DDR zum 1.1.1964 das alleinige Eigentum des Kulturbunds am Aufbau-Verlag nicht beeinträchtigt oder verändert haben.

Es ist nicht ersichtlich, dass die rechtlichen Bestimmungen zur Lizenzerteilung in der DDR jemals vom Amt für Literatur und Verlagswesen oder vom Ministerium für Kultur ignoriert worden sind oder dass aus anderen Gründen die dem Kulturbund für seinen Verlag erteilte Lizenz vor dem 1.1.1990 nicht mehr wirksam und/oder erforderlich gewesen sein könnte.

Beispielhaft für die Einhaltung der Lizenzbestimmungen ist die gemeinsam mit dem Suhrkamp Verlag entwickelte Ausgabe der gesammelten Werke von Berthold Brecht.
Sie erschien im Aufbau-Verlag seit 1988 bis 2000 mit dem ersten Band unter Angabe der Lizenznummer 310, der Verlagsnummer 120, der hinzugefügten Nummer der Druckgenehmigung 281 und des Erscheinungsjahres 88.

Band 1 erhielt die Nummer 301.120/281/88
Band 2 erhielt die Nummer 301.120/70/87

Band 6 erhielt die Nummer 301.120/79/89

Nach Wegfall der Lizenzpflicht ab dem 1.1.1990 wurde in den weiteren Bänden ab Band 7 bis Band 24 und dem Registerband nur noch die übliche ISBN angegeben.

Die genannten Gerichte haben die oben dargestellten ganz offensichtlichen logischen Folgerungen aus der zum Beweis vorgelegten Lizenzurkunde und der gesamten Tätigkeit des Aufbau-Verlages ohne sie auch nur zu erwähnen in ihren Urteilen schlicht übergangen.

Ein Beispiel: Das geklaute Auto

Der Verleger des Aufbau-Verlages sprach vor der durch das Verhalten der Treuhandanstalt verursachten Insolvenz der Aufbau-Verlag GmbH öfters davon, dass er sich wie in einem geklauten Auto sitzend fühle. Dieses Beispiel kann man jetzt weiter führen: Ein Verkäufer (hier die SED) der fälschlich behauptet Eigentümer eines bestimmten Fahrzeuges zu sein, verkauft den Wagen an eine staatliche Einrichtung (hier die Treuhandanstalt). Diese verkauft ihn weiter (mit der Garantie dass sie rechtmäßiger Eigentümer des Wagens ist) an einen arglosen Käufer (hier die BFL-GmbH).

Einige Zeit später klagt der tatsächliche Eigentümer (hier der Kulturbund), dem der Wagen gestohlen wurde, bis zum BGH erfolgreich auf Feststellung seines fortbestehenden Eigentums und erhält den Wagen zurück.

Der geschädigte Käufer, der außer dem Kaufpreis auch noch erhebliche weitere Beträge in das Fahrzeug investiert hatte, klagt vor dem Landgericht Berlin oder Frankfurt auf Feststellung der Schadensersatzflicht gegen die staatliche Einrichtung (die besagte Treuhandanstalt), die ihm den inzwischen zurückgegebenen Wagen verkauft hatte ohne tatsächlich Eigentümerin zu sein.

Zum Beweis legt er aus den Unterlagen des tatsächlichen Eigentümers (hier des Kulturbunds) dessen ursprünglichen Kaufvertrag, die Bestätigung der Zahlung des Kaufpreises, die Abrechnungen der jährlichen Kosten und Einnahmen, die Versicherungsunterlagen, den Fahrzeugschein und den Fahrzeugbrief vor, die alle auf den tatsächlichen Eigentümer ausgestellt sind. Außerdem noch eine Erklärung des ersten Verkäufers, dass er irrtümlich und ohne Eigentümer zu sein den Wagen an die staatliche Einrichtung verkauft habe.

Die beklagte staatliche Einrichtung behauptet dagegen, sie sei gleichwohl rechtmäßiger Eigentümer des Wagens geworden und habe deshalb den Kaufvertrag mit dem Kläger (der BFL-GmbH) erfüllt, weil der erste Verkäufer (die SED) doch irgendwann und irgendwie Eigentümer des Wagens geworden sei. Zum angeblichen Beweis zitiert sie Äußerungen des Verkäufers (der SED) aus der Zeit in der er seinen Irrtum noch nicht erkannt hatte und legt den Kaufvertrag mit ihm vor.

Das Gericht weist die Klage des geschädigten Käufers (der BFL-GmbH) gegen die staatliche Einrichtung (die Treuhandanstalt) mit der Begründung ab, dass der Kläger nicht bewiesen hat, dass der ursprüngliche Eigentümer (der Kulturbund) sein Eigentum an dem Fahrzeug wie von der Beklagten behauptet nicht doch irgendwann und irgendwie an den ersten Verkäufer (die SED) verloren hat und daher das Scheitern des zweiten Verkaufs nicht zweifelsfrei feststeht. Die staatliche Einrichtung (die Treuhandanstalt) muss ihren Eigentumserwerb nicht beweisen.

Wie alle Vergleiche, hinkt auch dieser. Der tatsächliche Fall ist noch drastischer. Die verkaufte Aufbau-Verlag GmbH i.A. existierte gar nicht weil der Aufbau-Verlag, der nie als VEB firmiert hatte, nicht Volkseigentum war und deshalb nicht durch das Treuhandgesetz in eine GmbH umgewandelt werden konnte.  Der Kaufvertrag ist deshalb nach § 306 BGB a. F. nichtig, weil er auf eine unmögliche Leistung gerichtet ist: Aus Rechtsgründen nicht existierende GmbH Anteile, die auch nachträglich nicht mehr entstehen können, kann niemand übertragen. Aber auch das wollen die Gerichte nicht gelten lassen um die Beklagte entgültig zu entlasten. Die Begründung für diese Behauptung ist von besonderer Perfidie. Angeblich soll das Gesetz nur für die Übertragung von Rechten gelten, die schon ihrer Art nach überhaupt nicht existieren können. Der Aufbau-Verlag wäre aber umgewandelt worden, wenn er ein volkseigener Betrieb gewesen wäre. Weil es durch Umwandlung tatsächlich volkseigener Betriebe durch das Treuhandgesetz wirksam entstandene GmbH Anteile solcher Art gab, sei die Regelung des § 306 BGB a. F. nicht einschlägig. Dass das konkrete Recht, eben diese verkauften GmbH Anteile, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder auch später aus rechtlichen Gründen nicht entstehen können und daher ihre Übertragung für jeden objektiv unmöglich ist, sei unbeachtlich. Dieser Begründung ist die Willkür ins Gesicht geschrieben. Das Gericht spricht den staatlichen Dieb frei weil er unschuldig wäre, wenn er den verübten Diebstahl nicht begangen hätte.

Wie die genannten Gerichte die zahlreichen Rechtsbrüche der Beklagten übergehen und relativieren und die vorgelegten Beweise nur selektiv würdigen ist ein Lehrbeispiel für das Verhalten von Richtern in Bananenrepubliken und kann in den Schriftsätzen auf der Website detailliert nachvollzogen werden.

Die Urteilsbegründungen der Gerichte in Berlin und Frankfurt im Zusammenhang mit den Prozessen um den Verkauf des Aufbau-Verlages durch die Treuhandanstalt führen die durch das Grundgesetz geschützte Eigentums- und Rechtsordnung ad absurdum.

Wenn diese Art der Rechtsprechung zur Norm wird gibt es in der Bundesrepublik Deutschland keinen Eigentumsschutz. Jeder Räuber und Betrüger kann sich auf diese Urteile berufen und mit der unbewiesenen Behauptung, er habe irgendwann und irgendwie den streitigen Gegenstand oder das streitige Recht wirksam erworben, höhnisch grinsend den bisherigen Eigentümer auffordern zu beweisen, dass er das streitige Eigentum nicht irgendwann und irgendwie verloren oder übertragen habe. Die zahlreichen zusätzlichen Rechtsverstöße, die von den Gerichten übergangen wurden lassen erkennen, dass nach Ansicht der sonderzuständigen Spruchkörper dieser Gerichte der Staat, hier in Gestalt der Treuhandanstalt, offensichtlich über dem Gesetz steht und sich aus fiskalischen Gründen nicht an die eigenen Regeln halten muss.

Die Justiz ist keine Hure. Aber die Richter in dem hier genannten Verfahren beim OLG Frankfurt sind Zuhälter des staatlichen Unrechts. Sie verachten das Recht und verteidigen das Unrecht, offensichtlich nur weil der Staat es begeht. Die Geschädigten werden das aber nicht hinnehmen sondern sich mit juristischen und publizistischen Mitteln dagegen wehren.

Dazu ein Zitat aus „Der Geist des Rechts“ von Rudolf von Jhering: „Der Widerstand gegen ein schnödes die Person selber in die Schranken forderndes Unrecht, d. h. gegen eine Verletzung des Rechts, welche in der Art ihrer Vornahme den Charakter einer Mißachtung desselben, einer persönlichen Kränkung an sich trägt, ist Pflicht. Er ist Pflicht des Berechtigten gegen sich selber – denn er ist ein Gebot der moralischen Selbsterhaltung; er ist Pflicht gegen das Gemeinwesen – denn er ist nötig, damit das Recht sich verwirkliche. Der Kampf ums Recht ist eine Pflicht des Berechtigten gegen sich selbst.“

Buchbesprechung „Der Geist des Rechts“

FIAT JUSTITIA NE PEREAT RES PUPLICA

„Der Geist des Rechts“
Rudolph von Jhering,

Sammlung Dietrich, Band 297.

Rudolph von Jhering war einer der großen Rechtsgelehrten des 19. Jahrhunderts, der durch seine Forschungen und Schriften über das Römische Recht und die deutsche Rechtsgeschichte großen Einfluss erlangt hat. Seine Texte über Moral, Sitte und Recht sind in vieler Beziehung auch heute noch relevant und lesenswert. Das Recht wird von ihm als die Lebensordnung des Volkes beschrieben und sein Grundgedanke über den Rechtsstaat ist:

„Rechtsstaat ist der Staat, dessen Volk in dem Recht die Bedingungen seines Daseins erkannt hat und dessen Verletzung als eine Verletzung seiner selbst empfindet.“

Die Schaffung und Durchsetzung des Rechts ist aber ein Kampf an dem nicht nur die berufsmäßigen Richter oder Anwälte mitwirken. Jeder einzelne ist berufen, in seinem Recht die allgemeine Rechtsordnung gegen das Unrecht zu verteidigen. Diese Verteidigung ist sogar seine sittliche Pflicht. Das Recht geht uns alle an.

„Der Kampf ums Recht ist ein Pflicht des Berechtigten gegen sich selbst.“ (S.203)

Eine Garantie für den Sieg des Rechts erkennt von Jhering nicht, besonders wenn die Interessen der Regierung berührt werden. Hier sieht er ein unlösbares Problem, das auch heute noch besteht und in den Verfahren um den Aufbau-Verlag deutlich wird:

„Die Staatsgewalt kann sich zwar das Gericht nicht aussuchen, aber sie stellt die Richter an, welche das Gericht bilden; die prozessualische Gebundenheit in bezug auf das Gericht kann mithin paralysiert werden durch die administrative Befugnis in bezug auf die Wahl der Personen – die Staatsgewalt versetzt die ihr unbequemen Personen an ein anderes Gericht und setzt andere, ihr bequemere an deren Stelle. Das hat sie das Gericht so, wie sie es will.

Gegen diese Gefahr gibt es meines Erachtens keine Sicherung. Die Staatsgewalt bietet dem unbequemen Richter eine bessere Stelle an, und er geht. Die Unversetzbarkeit des Richters wider seinen Willen gewährt dagegen keinen ausreichenden Schutz, er macht dem Nachfolger Platz, auf den es abgesehen war. Das Recht der Besetzung der Richterstellen nach eigenem freien Ermessen läßt sich aber die Staatsgewalt einmal nicht verkümmern, und alle Mittel, welche man etwa ersinnen möchte, um der Möglichkeit einer dolosen Anwendung desselben in der angegebenen Richtung vorzubeugen, erweisen sich von vornherein als so unausführbar, daß nichts übrigbleibt, als jene Möglichkeit der Beeinflussung der Rechtspflege durch die Regierung als eine im Wege des Gesetztes gar nicht zu beseitigende anzuerkennen und den Schutz gegen diese Gefahr lediglich von der öffentlichen Meinung und dem eigenen Gerechtigkeits- und Anstandsgefühl der Regierung zu erwarten.“ (S.266 f)

Bei Schadensersatzklagen gegen den Staat – wie in den Verfahren um den Verkauf des Aufbau-Verlags – lässt die bestehende Sonderzuständigkeit einzelner Kammern und Senate eine besonders sorgfältige Auswahl der Richter erkennen und macht es illusorisch, von der Regierung irgendwelchen Schutz zu erwarten. Ein Gerechtigkeits- und Anstandsgefühl scheint es dort nur ganz vereinzelt zu geben.

Die von dem Verleger Bernd F. Lunkewitz geführten Prozesse gegen die in BvS umbenantne Treuhandanstalt sind ein Paradebeispiel für die Justizwirklichkeit in Deutschland. Die BvS ist seit Jahren in Abwicklung, sie hat weder Personal noch sonst einen Geschäftsbetrieb. Das Bundesministerium der Finanzen, die mächtigste aller Behörden, unterstützt von allen anderen staatlichen Behörden, ist der wirkliche Gegner des Klägers. Diesen Kampf kann er kaum gewinnen. Die von Staat bezahlten Richter, deren Fortkommen von der Gunst der Obrigkeit abhängt, werden die Obrigkeit kaum enttäuschen. Allein die Beweislast macht einen Prozessgewinn für den Kläger fast unmöglich. Die beklagte Regierung hat Zugang zu allen Archiven und Akten und bekanntlich noch andere Mittel der Nachrichtenbeschaffung. Sie kennt alle Tatsachen und Unterlagen. Der Kläger aber hat zu den meisten Archiven der verschiedenen mit dem Fall befassten Behörden keinen Zugang. Diese Akten der Behörden könnten die Tatsachen noch weiter aufklären – wenn es eine Pflicht zur Vorlage der Akten gäbe. Die Anträge des Klägers auf Aktenvorlage oder Zeugenbeweis wurden bisher von den Gerichten aber als „Ausforschung“ abgelehnt. Die Treuhandanstalt hat geschickt „zivilrechtlich“ gehandelt. Das gibt ihr den „Schutz“ jedes Bürgers, der dem Prozessgegner keine Einsicht in seine Unterlagen geben muss. Wäre es denkbar, dass umgekehrt in einer Klage des Staates gegen einen Bürger die eine Behörde der anderen die Akteneinsicht verweigert? Die Waffengleichheit vor Gericht ist in solchen Fällen eine Farce.

Trotz aller dieser Schwierigkeiten ist es dem Kläger gelungen, die Rechtsbrüche der Treuhandanstalt detaiiiert und substantiiert zu beweisen. Aber auch das wurde besonders vom 1. Senat des OLG Frankfurt mit den Richtern Dr. Stump, Hauffen und Dr. Buxbaum durch ein ganz offensichtlich willkürliches und damit verfassungswidriges Urteil abgeschmettert.

Investorenschutz gibts es nur durch unabhängige Schiedsgerichte im neutralen Ausland.

ISDS steht für Investor-State Dispute Settlement – internationale Streitschlichtungsverfahren – zwischen Unternehmen und Staaten im Fall von Schädigungen der Investitionen durch staatliche Maßnahmen.

Bei der Diskussion über das Freihandelsabkommen TTIP und die darin enthaltenen Bestimmungen über neutrale Schiedsgerichte wird von den Gegnern des Abkommens so getan, also ob die bösen „ausländischen Konzerne“ sich durch Schadensersatzansprüche wegen staatlicher Eingriffe auf Kosten der Bürger bereichern wollten oder könnten.

Der Anspruch auf Schadensersatz setzt aber voraus, dass durch rechtlich verbindliche Normen am Ort der Investitionen ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, der diesen Investitionen zu Grunde liegt und dass nachfolgend durch einen staatlichen Eingriff, eine Enteignung, einen enteignungsgleichen Vorgang, eine Amtspflichtverletzung oder gar vorsätzlich rechtswidriges Handeln der staatlichen Verwaltung der Investor einen nachgewiesenen Schaden erleidet.

Die Kritiker der vorgesehenen unabhängigen Schiedsgerichte verschweigen, dass es begreiflicherweise kein aussichtsreiches Geschäftsmodell sein kann, im Ausland viel Geld zu investieren, dieses Geld durch einen schädigenden Akt eines Staates zu verlieren und es dann in einem Prozess mit ungewissem Ausgang und erheblichen Zusatzkosten vor dessen Gerichten als „Ersatz des Schadens“ zurückzufordern. Selbst dem Dümmsten sollte einsichtig sein, dass niemand durch den bloßen Ersatz eines erlittenen Schadens reicher werden kann.

Wie aber solche Schadensersatzklagen gegen den deutschen Staat vor deutschen Gerichten ausgehen ist an den Verfahren vor den Zivilgerichten in Berlin und Karlsruhe gegen die Treuhandanstalt wegen der fehlgeschlagenen Privatisierung des Aufbau-Verlages zu sehen. Durch ganz unverblümte und willkürliche Rechtsbeugung wird der Staat hier zulande in jedem Fall, in dem es um größere Beträge geht, von den Gerichten vor Ansprüchen geschützt, denn nicht die Rechtssprechung ohne Ansehung der Person, sondern die Staatskasse gilt der deutschen Justiz als höchstes Gut.

Das ist allerdings in den meisten Staaten der Welt so. Über Japan schrieb in der Süddeutschen Zeitung vom 11.10.2014 Christoph Neidhart ganz selbstverständlich: „In Japan gilt, je höher das Gericht, umso eher urteilt es zugunsten des Mächtigen.“ Was kann dann ein Kläger erwarten, der nicht nur irgendeinen Mächtigen, sondern sogar den dort „Mächtigsten“, nämlich den japanischen Staat verklagt? In der großen Mehrheit aller Staaten lohnt es sich für kein Opfer staatlicher Willkür, gegen den dortigen Staat vor ein lokales Gericht zu gehen. Unabhängig von der Rechtslage ist der Ausgang solcher Prozesse vorhersehbar und in vielen dieser Staaten muss der Kläger auch noch um sein Leben fürchten.

In den USA werden immer mal wieder auch staatliche Behörden, wenn sie einen Schaden schuldhaft verursacht haben, von den tatsächlich unabhängigen Gerichten auch zu hohen Schadensersatzzahlungen an private Kläger verurteilt. Das liegt wohl daran, dass dort die Richter vom Volk gewählt werden und eine Jury aus Bürgern den Fall beurteilt. Deshalb wäre es ein unfairer Vorteil für deutsche Unternehmen, deren Investitionen in den USA von tatsächlich unabhängigen Gerichten geschützt werden, während amerikanische Unternehmen vor der parteiischen und bei Klagen gegen den Staat befangenen deutschen Gerichten so gut wie aussichtslos sind.

Die Bundesrepublik Deutschland oder eine ihrer Behörden ist bisher noch niemals in einem Zivilprozess von einem deutschen Gericht rechtskräftig zu einer Schadensersatzzahlung in zwei- oder gar dreistelliger Millionenhöhe verurteilt worden. Die neulich wegen des von der Bundesregierung angeordneten Atomausstiegs von Vattenfall und RWE angekündigten Klagen sind noch lange nicht entschieden, wobei es hier „nur“ um die schädigenden Folgen von legitimen politische Entscheidungen und nicht wie bei Aufbau um verdeckte kriminelle Machenschaften der Behörden geht.

Daraus kann man den Schluss ziehen, das sei ein reiner Zufall oder ein Beweis, dass in der fehlerlosen Bundesrepublik noch nie ein Unternehmen oder eine Person von einer Behörde schuldhaft in solcher Höhe geschädigt wurde. Wahrscheinlicher ist aber, dass deutsche Gerichte regelmäßig zu Gunsten des deutschen Staates solche Schadenersatzansprüche unabhängig von den konkreten Umständen und der Rechtslage abweisen, um den deutschen Staatshaushalt zu schützen. Egal wie gerechtfertig ein Urteil gegen den Staat wäre, es fördert nicht die Kariere des deutschen Richters.

Die Verfahren um die fehlgeschlagene Privatisierung des Aufbau-Verlages, die auf dieser Website dokumentiert werden, geben nicht nur ausländischen Investoren jeden Grund, dem deutschen Staat und besonders der deutschen Justiz zutiefst zu misstrauen und wenigstens für Auslandsinvestitionen auf der Einrichtung tatsächlich unabhängiger Schiedsgerichte zu bestehen.