Der Betrug durch Raubdrucke und die Arglist der Treuhandanstalt

Raubdrucke

In einem Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem unter der treuhänderischen Verwaltung der Treuhandanstalt stehenden Vermögen der SED wurde am 20./21. August 1991 u. a. auch das Büro des damaligen Finanzverwalters der PDS durchsucht. Dort wurde als Beweismittel u.a. ein behördeninternes Schreiben des Ministeriums für Kultur der DDR vom 28.11.1989 gefunden. Darin wird dargelegt, dass der Aufbau-Verlag und der Verlag Volk & Welt in Abstimmung mit der SED und dem Ministerium seit Mitte der sechziger Jahre systematisch gegen Lizenzvereinbarungen mit ausländischen Urhebern verstoßen und Raubdrucke hergestellt haben. Die Lizenzgebühren für diese Raubdrucke waren den Rechteinhabern vorenthalten und statt dessen an die SED abgeführt worden. Allein im Zeitraum 1986 bis 1989 waren dies jährlich rund 1 Millionen DM.

Anlage 1, Schreiben vom 28.11.1989

Dieser Zufallsfund führte zu einem weiteren Ermittlungsverfahren in dem u. a. Herr Elmar Faber, der langjährige Leiter des Aufbau-Verlages in der DDR, nunmehr Geschäftsführer der vermeintlichen Aufbau-Verlag GmbH i. A. wegen Verdachts des Betruges in Tateinheit mit Vergehen nach dem Urheberrechtsgesetzt beschuldigt wurde.

Da der Aufbau-Verlag als Treuhandunternehmen angesehen wurde, informierte der die Ermittlungen leitende Kriminaloberrat Schmidt auf dem üblichen Weg die für solche Fälle in der THA zuständige „Stabstelle für besondere Aufgaben“ im Direktorat Recht.

Herr Schmidt hatte zu der Stabstelle bereits intensiven Kontakt wegen zahlreicher anderer Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter der THA wegen Korruption und Untreue zu Lasten der THA und/oder ihrer Betriebe.

Anlage 2, TAZ vom 12.04.1991

Die Stabstelle war der zentrale Kontakt für die Strafverfolgungsbehörden bei Ermittlungen gegen eigene Mitarbeiter der THA oder ihrer Unternehmen wegen des Verdachts von Straftaten zu Lasten der THA und wurde von dem erfahrenen Staatsanwalt Dr. Hans Richter geleitet.

Die Stabstelle unterstützte einerseits die Strafverfolgungsbehörden bei ihren Ermittlungen durch die Erteilung von Auskünften oder Einsichtnahme in interne Akten der THA, andererseits war sie eingerichtet worden um die Leitungsgremien der THA zeitnahe über solche Verdachtsfälle und relevante Ermittlungsergebnisse umfassend zu informieren um drohende Schäden möglichst zu verhindern oder einzugrenzen und um öffentliche Erklärungen der THA zu solchen Fällen vorzubereiten.

Am 2.10.1991 unterzeichnete Herr Schmidt einen Aktenvermerk in dem die wesentlichen Tatsachen und Umstände des Falles zutreffend dargestellt sind.

Anlage 3, Aktenvermerk von 2.10.1991

Die Passage des Vermerks vom 2.10.1991 mit den Angaben von Herrn Dr. Richter lautet:

„Von der Treuhandanstalt, Direktorat Recht, PR BA, Herrn Dr. Hans Richter, wurde mitgeteilt, dass der Aufbau-Verlag unmittelbar vor dem Verkauf stünde. Es droht Beweismittelverlust, da eine Übergabe bereits in der Woche ab dem 06.10.1991 vorgesehen sei.

Als Käufer treten ein Immobilienmakler aus dem Raum Frankfurt/M. und ein ehemaliger Mitarbeiter aus dem Bertelsmann-Konzern auf, es gibt aber vage Anhaltspunkte dafür, dass diese Personen nur für Dr. Elmar Faber stehen.“

Der von Herrn Dr. Hans Richter als „ehemaliger Mitarbeiter aus dem Bertelsmann-Konzern“ bezeichnete Herr Dr. Ulrich Wechsler war dort als langjähriger Vorstand weltweit für alle Bertelsmann-Buchverlage zuständig gewesen. Nach seiner Pensionierung gründete er ein eignes Medienunternehmen und erwarb Beteiligungen in der Verlagsbranche, darunter die Beteiligung am Aufbau-Verlag. Er war zu dieser Zeit auch langjähriger Vorsitzender des Aufsichtsrats der Buchmesse Frankfurt und Vorsitzender der von ihm initiierten bundesweit aktiven „Stiftung Lesen“ sowie des Stiftungsrates des Literaturhauses München.

Mit der Bezeichnung „ein Immobilienmakler aus dem Raum Frankfurt/M“ war zweifellos Bernd F. Lunkewitz gemeint. Allerdings war der nicht für Dritte als Makler tätig, sondern verwaltete seinen eigenen umfangreichen Immobilienbesitz in Deutschland und in den USA.

Beim Kauf der Aufbau-Verlag GmbH i. A. war die „Dr. Ulrich Wechsler Verlags- und Medien GmbH“ mit 20% beteiligt. Die BFL-Beteiligungsgesellschaft mbH kaufte 75%, der Unternehmensberater Dr. Eberhard Kossack und Herr Thomas Grundmann, Eigentümer der Bouvier Buchhandelskette, kauften die restlichen Anteile.

Der Verkauf der Aufbau-Verlag GmbH i.A. und der Rütten & Loening GmbH i. A. erfolgte durch zwei miteinander verbundene Verträge, die am 18.09.1991 und am 27.09.1991 unterzeichnet wurden. Am 1.10.1990 genehmigte der Vorstand der THA diese Verträge und am 4.10.1991 lief das darin für die Käufer vereinbarte Rücktrittsrecht ab.

Am 4.10.1991 beantragte die Staatsanwaltschaft Durchsuchungsbeschlüsse u. a. für die Geschäftsräume des Aufbau-Verlages mit dem Vermerk „Sowohl die Treuhandanstalt, Dr. Richter, als auch die Kripo, KOR Schmidt wiesen auf die besondere Eilbedürftigkeit hin.“

Anlage 4, Vermerk vom 4.10.1991

Das Amtsgericht Tiergarten entsprach dem Antrag. Die Durchsuchungen erfolgten am Montag den 7.10.1991 und überraschten die bis dahin ahnungslosen Beschuldigten und die arglosen Käufer. Im Protokoll der Polizei zu der Durchsuchung ist aufgeführt, dass eine Frau Rieger (Tel. 3154-7990) als Vertreterin der „Treuhandanstalt (Gesellschafter)“ bei der Durchsuchung anwesend war. Daraus ist zu schließen, dass die Treuhandanstalt vom Gegenstand und Zeitpunkt der Ermittlungen vorab unterrichtet gewesen sein muss.

Die Übernahme des Aufbau-Verlages durch die Käufer und die gleichzeitige Enthüllung der Raubdrucke machten bundesweit Schlagzeilen. Die THA erklärte öffentlich von den Ermittlungen überrascht worden zu sein und deshalb keine Auskünfte geben könne. Der von den Käufern telefonisch kontaktierte Abteilungsleiter Molinari bestritt vehement jede vorvertragliche Kenntnis der Raubdrucke und verwies an das Direktorat Recht, dass gleichfalls die vorvertragliche Kenntnis der THA bestritt.

In dem Kaufvertrag hatte die THA jede Gewährleistung oder Haftung für wirtschaftliche oder rechtliche Mängel des Unternehmens ausgeschlossen, so dass die Käufer am Tage der Übernahme des Verlages mit einem katastrophalen Rufschaden und Vertrauensverlust für den Aufbau-Verlag und zunächst unbekannten Schadensersatzansprüchen der geschädigten Rechteinhaber aus Vertrag oder wegen Urheberrechtsverletzung konfrontiert waren.

Herr Faber bezifferte intern den Schaden für den Aufbau-Verlag auf „höchstens einige zehntausend DM“. Er wies darauf hin, dass der Verlag die Lizenzgebühren für die „Plusauflagen“ an das Ministerium für Kultur abgeführt habe. Von dort seien sie aber nicht an die Rechteinhaber im Ausland sondern zu Unrecht an die SED weitergeleitet worden.

Die Käufer waren nach dem Ablauf ihres Rücktrittsrechts am 30.9.1991 und der zum 7.10.1991 erfolgten Übergabe des Verlages davon überzeugt das Eigentum daran wirksam erworben zu haben. Sie wiesen in der Öffentlichkeit auf die Verantwortung der SED für die Raubdrucke hin und versprachen die Aufklärung über die Ursachen und Folgen. Intern wurde eine Rückstellung in Höhe von 100.000 DM gebildet und die THA wurde gebeten, bei der Verfolgung der Ansprüche gegen die SED behilflich zu sein.

Da viele Unterlagen zu den Lizenzverträgen bei der Durchsuchung des Verlages beschlagnahmt wurden, dauerte die interne Recherche zum Umfang der Raubdrucke bis zum Februar 1992. Dann berichtete die Geschäftsleitung des Verlages den Käufern, dass aus den Raubdrucken mehr als 8,2 Mio. DM Lizenzgebühren geschuldet werden. Der Verlag war deshalb konkursreif.

Die Käufer informierten die THA über die festgestellte Schadenshöhe. Die THA bestritt erneut die vorvertragliche Kenntnis der Raubdrucke und bestand auf dem vertraglich vereinbarten Ausschluss aller Gewährleistungen.

Erst nach langen Verhandlungen und der Drohung mit der Insolvenz war die THA bereit im Innenverhältnis den Verlag von rechtskräftig festgestellten Ansprüchen der Geschädigten freizustellen. Diese von der THA diktierte Regelung führte zum Rechtsstreit mit zahlreichen Geschädigten.

Im November 1992 erklärte sich die THA bereit nun auch die vergleichsweise Befriedigung der Ansprüche der geschädigten Verlage zu finanzieren. Der Verlag musste nur noch die Ansprüche eigener Autoren in Höhe von ca. 2 Millionen DM selbst befriedigen.

Chronologie

Hier die damaligen Ereignisse zu den Plusauflagen geordnet nach Datum:

Am 20./21.08.1991 wurde bei Ermittlungen von UK, Staatsanwaltschaft und der Polizei zum Vermögen der SED in Räumen der PDS das Schreiben vom 28.11.1989 mit den Angaben zu den Raubdrucken gefunden. (Anlage 1)

Am 18.09.1991 unterzeichneten nach längeren Verhandlungen die THA und die BFL-Beteiligungsgesellschaft einen Kaufvertrag über alle Geschäftsanteile an zwei angeblich durch Umwandlung nach dem Treuhandgesetz entstandene Gesellschaften mit beschränkter Haftung im Aufbau: die Aufbau-Verlag GmbH i. A. und die Rütten & Loening GmbH i. A.

Am 22.09.1991 kam es nach Angaben von Christoph Hein zu einem Treffen von vier Autoren des Aufbau-Verlages mit zwei Vertretern der THA, wegen der beabsichtigten Entlassung von Elmar Faber als Leiter des Aufbau-Verlages.

Am 23.09.1991 verweigerte die THA die Genehmigung des Kaufvertrages weil Herr Lunkewitz als branchenfremder Neuling zur Führung des Verlages nicht qualifiziert sei. Herr Lunkewitz bot an u. a. Herrn Dr. Wechsler am Kauf zu beteiligen.

Am 24.09.1991 wurde der langjährige Verlagsleiter Faber zur Personalabteilung der THA bestellt und ohne Begründung mit sofortiger Wirkung beurlaubt, erhielt Hausverbot für den Aufbau-Verlag und wurde fristlos gekündigt.

Am 26.09.1991 erhielten die Käufer per Telefax den Textentwurf zum Beitritt der weiteren Käufer zum Kaufvertrag. Die Käufer akzeptierten und vereinbarten den Termin der Protokollierung.

Am 27.09.1991 wurde vor einem Notar in Frankfurt der Beitritts- und Änderungsvertrag abgeschlossen. Weil einer der Käufer persönlich nicht anwesend war erhielten die Käufer ein Rücktrittsrecht bis zum 30.9.1991. Bedingung für den Abschluss des Vertrages war die Unterzeichnung einer weiteren Urkunde in der die Käufer sich verpflichteten Herrn Faber nicht wieder zum Geschäftsführer des Verlages zu berufen. Die THA verweigerte jede Begründung für diese Vertragsbedingung.

Am 1.10.1991 genehmigte der Vorstand der THA den Kaufvertrag.

Am 2.10.1991 wurde Herrn Lunkewitz persönlich von der Erteilung der Genehmigung informiert.

Am 2.10.1991 wurde von Herrn KOR Schmidt der Aktenvermerk zu den Raubdrucken unterzeichnet. (Anlage 3)

Am 4.10.1991 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Tiergarten den Durchsuchungsbeschluss. (Anlage 4).

Am 7.10.1991 ging vereinbarungsgemäß der Verlag über in den Besitz der Käufer die unverzüglich den Kaufpreis in Höhe von insgesamt 1 Millionen DM an die THA und 3 Millionen DM als Kapitaleinlage in die GmbHs i. A. zahlten.

Am 7.10.1991 durchsuchte die Kripo die Verlagsräume wegen Verdacht des Betruges durch die Raubdrucke und beschlagnahmte zahlreiche Beweismittel.

Am 8.10.1991 wurde die Buchmesse in Frankfurt eröffnet. Der Verkauf des Verlages und dessen Durchsuchung wegen Lizenzbetruges wurde in allen Medien bundesweit berichtet und kommentiert.

Am 16.10.1991 wurde dem Notar die Urkunde der Vorstandsgenehmigung zum Kaufvertrag zugestellt. Im Begleitschreiben vom 11.10.1991 erklärte die THA, „dass auch alle … weiteren Entwicklungen bei den zu übernehmenden Verlagen als zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses offenbart zu betrachten sind“.

Am 24.11.1992 wurde in einem Vergleich zwischen der THA und den Käufern über Streitigkeiten zum Vermögen des Aufbau-Verlages zur Aufrechterhaltung und Durchführung des bestehenden Kaufvertrages auch eine modifizierte Freistellung von den Folgen der Raubdrucke vereinbart. Die THA bestritt weiterhin die vorvertragliche Kenntnis der Raubdrucke.

Der Verlag muss die Ansprüche von Autoren aus eigenen Mitteln erfüllen, Ansprüche von Verlagen können auf Kosten der THA durch Vergleich befriedigt werden.

Im Juli 2006 wurde den Käufern der Aktenvermerk der Kripo vom 2.10.1991 und der Staatsanwaltschaft vom 4.10.1991 bekannt. Daraufhin erklärten alle Käufer im Juni 2007 die Anfechtung aller Verträge mit der THA wegen arglistiger Täuschung.

Die Arglist der Treuhandanstalt und die Befangenheit der Gerichte

Die THA bestreitet vor Gericht jegliche Kenntnis der Raubdrucke vor der Durchsuchung am 7.10.1991. An diesem Tag sei der Verlag bereits an die Käufer verkauft und übergeben gewesen.

Die Klage der Käufer vor dem LG Frankfurt wurde zu Gunsten der THA abgewiesen. Das OLG Frankfurt urteilte, dem Vermerk der Polizei vom 2.10.1991 „ist nicht zu entnehmen über welche Kenntnisse zu der „Plusauflagen-Problematik“ Herr Dr. Richter zu diesem Zeitpunkt verfügte“. Ebenso: „Wann die Beklagte Kenntnis über Inhalt und Ausmaß der „Plusauflagen“ hatte, ist nicht dargetan. Dem Beweisangebot auf Vernehmung des Zeugen Richter ist das Landgericht zu Recht nicht nachgegangen, weil eine Beweisaufnahme auf eine unzulässige Ausforschung hinausgelaufen wäre“.

Das OLG Frankfurt übergeht zunächst dass nach dem Wortlaut des Vermerks vom 2.10.1991 Herr Dr. Richter ausdrücklich „vor dem Verkauf“ des Verlages Herrn Schmidt über die aktuellen Verhältnisse des Aufbau-Verlages und den Stand der Verhandlungen mit den Käufern unterrichtet hatte.

„Von der Treuhandanstalt, Direktorat Recht, PR BA, Herrn Dr. Hans Richter, wurde mitgeteilt, dass der Aufbau-Verlag unmittelbar vor dem Verkauf stünde.“ Vermerk vom 2.10.1991. Die Kenntnis der THA vor dem Verkauf ist damit belegt. Erst durch Übersendung der Genehmigungserklärung des Vorstands am 16.10.1991 wurde der Kaufvertrag wirksam. Die THA hätte aber durch Verweigerung der Zustimmung erneut den Vollzug des Kaufs verhindern, die Käufer pflichtgemäß über die Umstände der Plusauflagen informieren und einen neuen Kaufvertrag einschließlich einer Regelung der Plusauflagen verhandeln können. Genau das aber wollte die THA nicht, denn dann hätte sie den Schaden selbst tragen müssen, oder der Verlag wäre nicht mehr verkäuflich gewesen.

Das OLG Frankfurt übergeht in seinem Urteil ebenso die grundlegende und auch Herrn Schmidt bekannte Tatsache, die ihn zu dem Gespräch mit Herr Dr. Richter überhaupt veranlasst hatte, dass nämlich die „besonderen Aufgaben“ von Herrn Dr. Richter darin bestanden die Leitungsgremien der THA möglichst zeitnahe und umfassend über Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden gegen Mitarbeiter der THA oder ihrer Betriebe zu informieren. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Herr Dr. Richter die ihm gestellten Aufgaben in dem vorliegenden Fall nicht erfüllt hätte.

Die dokumentierte Anfrage der Kripo bei Dr. Richter belegt die grundsätzliche Kenntnis des Leiters der Stabsstelle von Ermittlungen gegen Elmar Faber und andere Verantwortliche des Aufbau-Verlages. Die fadenscheinige Ausrede des Gerichts, „über welche Erkenntnisse“ er verfügt habe, sei nicht erkennbar, ist irrelevant, da schon die grundsätzliche Kenntnis solcher Ermittlungen gegen ein zum Verkauf stehendes Unternehmen dem potentiellen Käufer mitgeteilt werden muss.

Das Gericht übergeht ebenso die naheliegende Erwägung, dass Herr Schmitt keine Veranlassung hatte, Herrn Dr. Richter um Informationen zum Aufbau-Verlag zu bitten, ohne seinerseits Herrn Dr. Richter über die Hintergründe – Verdacht des Betruges und der Urheberechtsverletzung durch Raubdrucke – zu unterrichten. Das zentrale Beweismittel für die hier vorliegenden Straftaten war ein einziger Brief im Umfang von einer Seite auf der sämtliche Angaben standen, die für den Betrugsverdacht mehr als ausreichten.

Zum Zeitpunkt des Gesprächs mit Herrn Dr. Richter hatte Herr Schmidt bereits Herrn Faber als Haupttatverdächtigen ermittelt und festgestellt, dass dem prominenten Treuhandunternehmen Aufbau-Verlag ein Schaden in Millionenhöhe drohte und in diesen politisch höchst brisanten Fall auch ehemalige Minister der DDR und höchste Funktionäre der im Bundestag vertretenen SED/PDS verwickelt waren, während prominente Schriftsteller und Verlage aus dem Westen die Opfer dieser Betrügereien waren. Diese Umstände würden auch aus Sicht von Herrn Schmidt und Herrn Dr. Richter in der Öffentlichkeit erhebliches Aufsehen erregen und es ist daher lebensfremd anzunehmen, dass die Leitungsgremien der THA darüber auch aus Sicht von Herrn Schmidt nicht umgehend informiert werden sollen.

Die Annahme des OLG Frankfurt, dass Herr Schmidt in dieser Situation die THA, die als Verkäuferin des Verlages und als gesetzliche Treuhänderin der SED in zweifacher Hinsicht von diesem Fall betroffen war, nicht in vollem Umfang über die Einleitung des Ermittlungsverfahrens, die aufgefundenen Beweismittel und die bisher ermittelten Tatsachen informiert und den konkreten Tatvorwurf erläutert hätte, ist nicht nur abwegig, sondern unterstellt sowohl dem erfahrenen Kriminalbeamten Schmidt als auch dem nicht weniger erfahrenen Staatsanwalt Dr. Richter einen gravierenden Pflichtverstoß.

Nach Ansicht des OLG Frankfurt hätte Herr Dr. Richter dann aber auch noch ohne irgendwelche Kenntnis des Sachverhalts und auch ohne danach zu fragen dem Kriminaloberrat Schmidt erklärt „es droht Beweismittelverlust, da der Aufbau-Verlag unmittelbar vor dem Verkauf steht.“ Die naheliegende Frage, welche Beweise für welche Tatsachen Herr Dr. Richter gemeint haben könnte und warum durch den Verkauf des Verlages der Verlust von Beweismitteln droht, hat das Gericht nicht gestellt. Der „Hinweis“ von Dr. Richter ist aber nichts anderes die unverhohlene Aufforderung an die Ermittlungsbehörden möglichst bald den Verlag zu durchsuchen um die vermuteten Beweismittel – für was? – zu sichern bevor die – „nur für Dr. Faber“ stehenden – Käufer sie nach dem Kauf des Verlages möglicherweise beseitigen.

Herr Dr. Richter berichtete Herrn Schmidt sogar Details, die auf eine genaue Kenntnis der Vertragsverhandlungen schließen lassen. Die von ihm geäußerte Vermutung, dass die Käufer „nur für Dr. Elmar Faber stehen“ war zwar völlig substanzlos, ist aber trotzdem aufschlussreich, denn sie lässt erkennen, dass er nicht nur über das Ermittlungsverfahren gegen Herrn Faber sondern auch über den Stand der Verkaufsverhandlungen informiert war.

Der Vertrag vom 18.09.1991 sah vor, dass der Weiterverkauf der Geschäftsanteile binnen vier Jahren der Zustimmung der THA bedurfte. Nur der Verkauf von Anteilen an den langjähren Verlagsleiter Elmar Faber war nach § 7.4 des Vertrages davon ausgenommen – weil ihm der Käufer bei erfolgreicher Sanierung des Unternehmens eine Beteiligung angeboten hatte. Auf dem Hintergrund der Ermittlungen gegen Herrn Faber war diese Vertragsklausel nun ein „vager Anhaltspunkt“ dafür, dass „die Käufer nur für Dr. Elmar Faber stehen.“

Die Informationen über den unmittelbar bevorstehenden Verkauf, die Angaben zu den Käufern und zu Herrn Faber und das Datum der vorgesehenen Übergabe des Verlages kann der für Privatisierungen überhaupt nicht zuständige Dr. Richter auf die Fragen von Herrn Schmidt nicht sofort parat gehabt haben. Er musste zweifellos selbst erst im Direktorat Recht der THA nachfragen – und den Grund des Auskunftsersuchens mitteilen – um danach die erhaltenen Informationen an Herrn Schmidt weiterleiten zu können.

Der Vermerk der Staatsanwaltschaft vom 4.10.1991 im Antrag auf Erlass des Durchsuchungsbeschlusses wird vom OLG Frankfurt gar nicht gewürdigt. Der darin dokumentierte Hinweis: „Sowohl die Treuhandanstalt, Dr. Richter, als auch die Kripo, KOR Schmidt, wiesen auf die besondere Eilbedürftigkeit hin“ belegt aber, dass Herr Dr. Richter den Antrag der Staatsanwaltschaft kannte. Nach der unschlüssigen Ansicht des Gerichts soll er aber den konkreten Tatvorwurf und die Umstände des Falles nicht gekannt haben. Herr Dr. Richter müsste demnach den Herrn Staatsanwalt Dorsch auf die Eilbedürftigkeit einer ihm ganz unbekannten Sache hingewiesen haben. Dr. Richter hätte sich dabei noch nicht mal selber gefragt, warum wohl die Staatsanwaltschaft überhaupt einen Durchsuchungsbeschluss in Bezug auf den zur THA gehörenden Aufbau-Verlag beantragt.

Bei der Vernehmung von Betrügern haben Polizei, Staatsanwälte und Richter bestimmt noch absurdere Ausreden gehört. Dass deutsche Gerichte solche Absurditäten zur Grundlage ihrer Rechtsprechung machen, dürfte aber sehr selten sein und hier damit zusammenhängen, dass es in den Verfahren zum Aufbau-Verlag um erhebliche politische und fiskalische Interessen von obersten Bundesbehörden geht und auch die Gerichte den Gefahren ausgesetzt sind, die als politische Korruption beschrieben werden. Statt Rechtsschutz betreiben solche Richter dann in ihrem Sinne verstandenen „Staatsschutz“, weil sie nicht erkennen wollen, dass der beste Schutz des Staates in der Einhaltung von Recht und Gesetz besteht. Das Urteil des OLG Frankfurt 1 UG 253/11 (Richter Dr. Stump, Frau Haufen und Frau Dr. Buxbaum) ist ein offensichtlicher Fall vorsätzlicher Rechtsbeugung.

In einem Telefongespräch mit Herrn Lunkewitz konnte sich Herr Dr. Richter vor einigen Jahren nicht mehr an die genauen Details und den Zeitablauf der damaligen Ereignisse erinnern. Aber er bestätigte, dass in der Stabsstelle jeder neue Fall mit Nummer und genauem Datum des Eingangs registriert und die Akten chronologisch geführt und später archiviert worden sind. Der Zeitpunkt der Kenntnisse der THA über die „Plusauflagen-Problematik“ wäre deshalb einfach zu ermitteln. Angesichts dieser substantiierten und schlüssigen Darlegungen der Käufer ist die Vorlage dieser Akten auch keine Ausspähung, es genügt ein Blick auf das Datum des Eingangsstempels.

Man kann davon ausgehen, dass die Akten der beteiligten Direktorate der THA, der UK, der Polizei, der Staatsanwaltschaft und sonstiger mit dem Vorgang befasster amtlicher Stellen ebenfalls archiviert sind. Auch diese Akten sind noch unter Verschluss und der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Aber irgendwann werden diese Akten zugänglich sein und dann kann das Verhalten der THA und anderer Behörden und auch das Verhalten des OLG Frankfurt so objektiv beurteilt werden, wie das heute für das Verhalten der Behörden und Gerichte des NS-Staats und der DDR bereits möglich ist.

Der von Herrn Uwe Schmitt verfasste Vermerk vom 2.10.1991 und der Vermerk der Staatsanwaltschaft vom 4.10.1991 beweisen trotz der Weigerung des OLG Frankfurt deren konkreten Inhalt zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen, dass eindeutig vor Ablauf des Rücktrittsrechts der Käufer am 4.10.1991 und mit hinreichender Sicherheit vor Unterzeichnung des Vertrages vom 27.09.1991 die THA von den Ermittlungen zu den Raubdrucken und ihren Folgen umfassend informiert war und diesen gravierenden Mangel der Kaufsache den Käufern arglistig und in Täuschungsabsicht verschwiegen hat.

Der Betrug durch die Treuhand

In Wirklichkeit dürfte sich der Verkauf des Aufbau-Verlages in Bezug auf die Ermittlung der Raubdrucke etwa wie folgt zugetragen haben:

Die THA war als gesetzliche treuhänderische Verwalterin des SED Vermögens für dessen Verwendung und Verbleib maßgeblich verantwortlich. Der Vorstand der THA und die Behördenleitung der relevanten Direktorate waren schon deshalb in die Ermittlungen wegen Untreue zu Lasten des SED Vermögens direkt eingebunden.

Die am 20./21.08.1991 aufgefundenen relevanten Beweismittel wurden der im Wege der Amtshilfe beteiligten THA unverzüglich zur Kenntnis gegeben.

Das gilt auch für den Zufallsfund, durch den die Raubdrucke aufgedeckt wurden. Die betroffenen Verlage waren Treuhandunternehmen, die meisten Beschuldigten waren deren Geschäftsführer. Das aufgefundene Schreiben vom 28.11.1989 genügte als Beweismittel um das Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen der Verlage – insbesondere gegen Herrn Faber – einzuleiten. Herr Dr. Richter, der in Strafsachen im Bereich der THA die Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden koordinierte, wurde unverzüglich von Herrn Schmidt über die Erkenntnisse informiert und um weitere Informationen zu den Beschuldigten gebeten.

Herr Dr. Richter gab die von den Ermittlungsbehörden erhaltenen Informationen wie üblich an das Direktorat Recht und die Leitungsgremien der THA weiter und erkundigte sich dort über die Verhältnisse der betroffenen Verlage.

Unabhängig davon war der Kaufvertrag vom 18.09.1991 bereits unterzeichnet worden. Die THA hatte, schon um die polizeilichen Ermittlungen nicht zu gefährden,  weder ihren für den Verkauf zuständigen Verhandlungsführer und Zeichnungsberechtigten Herrn Dr. Greuner noch den als Strohmann verdächtigten Käufer über das inzwischen von Ihr erkannte Problem der Raubdrucke und die Ermittlungen informiert. Als das Direktorat Privatisierung den unterzeichneten Kaufvertrag routinemäßig zur Genehmigung durch den Vorstand vorlegte, wurde von den dort bereits über die staatsanwaltlichen Ermittlungen informierten Mitarbeitern erkannt, dass wegen der Raubdrucke möglicherweise unverjährte Ansprüche von Geschädigten von bis zu 30 Millionen DM drohen könnten. („1 Millionen jährlich“). Dies war der tatsächliche Grund für die verweigerte Genehmigung dieses Vertrages durch den Vorstand der THA. Am Sonntag, dem 22.09.1991, kam es zu einem von Christoph Hein geschilderten Treffen einiger Autoren des Verlages mit zwei Vertretern der THA, bei dem die Zustimmung der Autoren zur Entlassung Fabers verlangt wurde. Eine Begründung dafür wurde von der THA nicht gegeben, aber der – falschen – Vermutung nicht widersprochen, dass die THA ihn verdächtige für die Stasi tätig gewesen sei.

Der Abteilungsleiter Molinari übernahm den Privatisierungsfall und teilte Herrn Lunkewitz am Montag, dem 23.09.1991 die Vorstandsentscheidung mit. Der von ihm für die Verweigerung der Zustimmung angegebene Grund der angeblich fehlenden Qualifikation zur Führung des Verlages war frei erfunden. Man muss davon ausgehen, dass Herr Molinari über die Raubdrucke informiert war, aber ebenfalls die laufenden Ermittlungen nicht gefährden durfte. Nachdem Herr Lunkewitz an diesem 23.09.1991 die Aufnahme von Dr. Wechsler und weiteren Gesellschaftern angeboten hatte, versprach Herr Molinari den Vorschlag in der THA vorzutragen und stellte eine Genehmigung in Aussicht. Herrn Molinari war bewusst, dass Eile geboten war, weil der Verkauf des Aufbau-Verlages spätestens bis zu der in der Verlagsbranche so wichtigen Frankfurter Buchmesse erfolgt sein sollte und andererseits die polizeilichen Ermittlungen liefen.

Die Entscheidungsträger in den Leitungsgremien der THA wurden von Herrn Molinari umgehend über das Ergebnis des am 23.09.1991 mit Herrn Lunkewitz geführten Gesprächs informiert und stimmten grundsätzlich der vorgeschlagenen Änderung des Kaufvertrags zu.

Auch Herr Dr. Richter ist mit dem Sachstand des 23.09.1991 über die Fortsetzung der Verkaufsverhandlungen informiert worden, denn er hat genau diese Informationen an Herrn Schmidt weitergegeben, der sie in seinen Vermerk vom 2.10.1991 aufnahm.

Dieser Zeitpunkt des Informationsaustauschs zwischen Dr. Richter und Herr Schmidt ergibt sich einerseits daraus, dass in dem ersten Vertrag vom 18.09.1991 die BFL-Beteiligungsgesellschaft als alleinige Käuferin vorgesehen war. Herr Dr. Richter erwähnt aber wenigstens zwei Käufer. Die Beteiligung von Dr. Wechsler und anderen Käufern ist von Herrn Lunkewitz erst am 23.09.1991 vorgeschlagen worden und wurde dann in dem noch „unmittelbar bevorstehen“ Verkauf am 27.09.1991 vertraglich auch so vereinbart.

Andererseits ist schon am 24.09.1991 der Beschuldigte Elmar Faber fristlos entlassen worden. Eben noch war die mangelnde Kompetenz des Käufers zur Führung des Verlages der angebliche Grund für die Verweigerung der Genehmigung des Kaufvertrages gewesen, jetzt aber wurde der langjährige – kompetente – Verlagsleiter entlassen. Diese für die Ermittlungen nicht unwesentliche Tatsache ist aber in dem Vermerk vom 2.10.1991 ebenso wenig enthalten wie der am 27.09.1991 vereinbarte vertragliche Ausschluss Herrn Fabers von der Geschäftsführung des Aufbau-Verlags.

Herr Molinari verweigerte bei den Vertragsverhandlungen jeden Kommentar zur fristlosen Kündigung Herrn Fabers. Auch die am 27.09.1991 bei Abschluss des Änderungsvertrages unterzeichnete Zusatzvereinbarung dass zukünftige Berufungen Herrn Fabers als Geschäftsführer des Aufbau-Verlages nur mit Genehmigung der THA möglich sind wurde nicht begründet. Auf die Nachfrage, ob Faber möglicherweise für die Stasi tätig gewesen sei, verweigerte er die Antwort auf eine Art („dazu darf ich nichts sagen“) die den Verdacht bestätigte.

Die hier dargelegten Umstände lassen insgesamt darauf schließen, dass Herr Dr. Richter von der Kripo bereits zeitnahe über den Zufallsfund bei den Durchsuchungen am 20./21.08.1991 informiert gewesen war und dann seinerseits am 23.09.1991 Herrn Schmidt über den Sachstand bei der THA unterrichtet hat der danach in dem Vermerk vom 2.10.1991 festgehalten ist.

Die Aufdeckung der Raubdrucke waren der tatsächliche Grund sowohl für die zunächst verweigerte Genehmigung des Vertrages vom 18.09.1991 als auch für die Entlassung Herrn Fabers und den Ausschluss seiner Berufung zum Geschäftsführer des Verlages im Vertrag vom 27.09.1991. Andere stichhaltige Gründe sind nicht ersichtlich.

Die Verantwortlichen der THA als Verkäufer des Verlages haben entschieden bei den weiteren Verhandlungen des Kaufvertrages den Käufern die laufenden Ermittlungen zu den Raubdrucken zu verheimlichen. Sie wollten damit einerseits die Ermittlungen der Polizei nicht gefährden aber andererseits wollten sie das stark defizitäre Unternehmen möglichst schnell verkaufen, besonders weil es mit so großen Risiken belastet war.

Hätte die Treuhandanstalt als redlicher Verkäufer vor dem Abschluss des Vertrages vom 27.09.1991 oder wenigstens noch vor Ablauf des darin vertraglich vereinbaren Rücktrittsrechts zum 4.10.1991 die Käufer über die Raubdrucke als einen wesentlichen Mangel des Kaufgegenstandes aufgeklärt, hätten die Käufer zweifellos den Vertrag entweder nicht abgeschlossen oder wären rechtzeitig vom Kauf zurückgetreten.

Wären dann die „Plusauflagen“ und der daraus folgende Schaden allgemein bekannt geworden, wäre trotz seiner literarischen und kulturellen Bedeutung der Aufbau-Verlag unverkäuflich gewesen, wenn nicht die Treuhandanstalt den gesamten finanziellen Schaden und die absehbar sehr hohen Sanierungskosten für das auch moralisch diskreditierte Unternehmen sofort selbst übernommen hätte.

Um die THA zu bereichern haben deren Verantwortliche statt dessen in voller Kenntnis der Raubdrucke und der daraus folgenden Schadensersatzansprüche der um Millionenbeträge geprellten Lizenzgeber den Kaufvertrag vom 18./27.09.1991 abgeschlossen und vollzogen ohne die arglosen Käufer über diesen schwerwiegenden Mangel der Kaufsache aufzuklären. Auch als der große Umfang der Schädigung der Käufer bekannt wurde und außerdem klar war, dass die Käufer nicht Strohmänner des verdächtigen Elmar Faber waren, hat die Treuhandanstalt die von ihr durchgeführte Täuschung der Käufer geleugnet und durch betrügerischen Vortrag vor Gericht bestritten.  Das begründet den Vorwurf des fortgesetzten Betruges und die Bezeichnung der in den Gerichtsverfahren benannten Mitarbeiter der Treuhandanstalt als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung.

Nach dem die Käufer im Jahre 2006 von den Aktennotizen vom 2.10.1991 und vom 4.10.1991 Kenntnis erhielten haben sie innerhalb der gesetzlichen Frist die Anfechtung aller Verträge wegen arglistiger Täuschung durch die THA erklärt.